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George A. Millers Formel für das Arbeitsgedächtnis

    Bekanntlich hat Miller (1956) in seinen Forschungen festgestellt, dass das menschliche Arbeitsgedächtnis in der Lage ist 7 (+/- 2) Elemente gleichzeitig vorzuhalten, wobei die Informationsmenge dieser Elemente (chunks)  allerdings von der Vorverarbeitung abhängt. Man kann sich einzelne Zahlen 1, 2, 4, 6, 9, 6, 7, 3 (…) versuchen zu merken oder die „chunks“ 12, 46, 96, 73 (…). Allerdings gilt diese Regel nur für die westliche Welt, denn etwa im Chinesischen, in welchem die Zahlwörter kürzer sind, merken sich Chinesen im Schnitt neun Ziffern.
    Das liest sich dann in der Ankündigung eines Anbieters  von Gedächtnistrainings so: „Unsere Aufnahmekapazität ist begrenzt: Der Wissenschaftler George Miller konnte bereits vor einigen Jahrzehnten zeigen, dass sich Menschen im Durchschnitt nur 7 Dinge (z. B. Zahlen) gleichzeitig merken können. Ist unsere Kapazitätsgrenze erreicht, können wir uns kaum mehr konzentrieren. Unsere Kapazität ist jedoch nicht in Stein gemeißelt. Studien zeigen, dass durch effektives Gehirntraining unsere Aufnahmekapazität um bis zu 40% gesteigert werden kann. Je größer unsere Aufnahmekapazität ist, desto einfacher fällt es uns, mit der täglichen Informationsflut umzugehen.“

    Das Forschungsergebnis Millers hat weder mit der Konzentrationsfähigkeit zu tun, noch lässt sich die durchschnittlich aufzunehmende Informationsmenge auch durch noch so viel Training nicht erhöhen.


    Komplexe Kognitionen wie Denken, Planen, Befolgen von Anweisungen oder Lösen von Problemen sind auf ein flexibles Arbeitsgedächtnis angewiesen, dessen Kapazität aber stark begrenzt ist. Hahn et al. (2021) haben die Kapazität des Arbeitsgedächtnisses von Krähen (Corvus corone) in einer Aufgabe zur Erkennung von Veränderungen untersucht, die ursprünglich für Affen (Macaca mulatta) entwickelt worden war, wobei man extrazelluläre Ableitungen des präfrontalen Areals Nidopallium caudolaterale durchführte. Man hatte für den Versuch den Krähen beigebracht, sich auf einem Bildschirm eine unterschiedliche Anzahl von farbigen Quadraten zu merken, wonach nach einer Pause von einer Sekunde aber erneut Quadrate auf dem Bildschirm präsentiert wurden, die dann leicht verändert waren, wobei die Vögel herausfinden sollten, welches Quadrat sich verändert hatte. Es zeigte sich, dass die neuronale Kodierung und Aufrechterhaltung der Informationen im Gehirn in gleicher Weise durch die Item-Anzahl beeinflusst wurde, wie man diese im präfrontalen Cortex von Affen gefunden hatte, d. h., mit zunehmender Anzahl der Gegenstände, die sich die Krähen merken mussten, veränderte sich die Menge der zu verarbeitenden Informationen im Vogelhirn. Diese Ähnlichkeiten zwischen den nur entfernt verwandten Spezies Vogel und Säuger bestätigen die Grundannahmen über die Grenzen des Arbeitsgedächtnisses, wobei diese darauf hindeuten, dass Vögel und Affen trotz ihrer unterschiedlichen Gehirnarchitektur die gleichen zentralen Mechanismen und Grenzen des Arbeitsgedächtnisses aufweisen.

    Literatur

    Hahn, Lukas Alexander, Balakhonov, Dmitry, Fongaro, Erica, Nieder, Andreas, Rose, Jonas, Rich, Erin L., Frank, Michael J. & Colombo, Mike (2021). Working memory capacity of crows and monkeys arises from similar neuronal computations. eLife, doi:10.7554/eLife.72783.
    Miller, George A. (1956). The Magical Number 7, Plus or Minus Two: Some Limits on Our Capacity for Processing Information. Psychological Review, 63, pp. 81-97.
    Stangl, W. (1998). Speicherabhängige Gedächtnisformen. [werner stangl]s arbeitsblätter.
    WWW: http://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/GEDAECHTNIS/ModelleSpeicher.shtml (98-11-12)