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Warum die Angst in der Nacht kommt

    Akute Angstzustände am Abend und in der Nacht sind übrigens ein weit verbreitetes Phänomen, denn tagsüber sind Menschen normalerweise beschäftigt, egal ob mit Arbeit, Freunden oder Familie, doch in der Nacht gibt es diese Ablenkung nicht und die negativen Gedanken werden präsenter. Auch neigt man zu dieser Zeit dazu, über den vergangenen Tag und alle möglichen Dinge nachzudenken, sodass Menschen bei einer systematischen Wiederholung Probleme bekommen, richtig einzuschlafen. Außerdem ist es des Nachts einsamer und stiller, man greift nicht so schnell zum Mobiltelefon, um einem Freund oder einer Freundin zu schreiben. Hinzu kommen oft Zukunftssorgen, denn in der Nacht erhalten diese mehr Raum in den Gedanken. Schlaf und ein veränderter Bewusstseinszustand können bei Menschen, die ein Trauma erlitten haben, besonders häufig Angstzustände hervorrufen, wobei der Moment des Einschlafens oder der Dunkelheit manchmal wie ein Trigger wirken. Manche Menschen, vor allem die lange zurückliegende Traumata erlitten haben, entwickeln generell eine Angst vor dem Schlafengehen bzw. dem Schlafen, da dann oft Albträume und Flashbacks auf sie warten.

    Beim klassischen Pavor Nocturnus kommt es wiederholt zu Episoden, in denen Betroffene aus dem Schlaf aufschrecken und dabei heftig erregt sind, wobei die Episoden  meist im ersten Drittel der Nacht während des Tiefschlafes auftreten. Es kommt dabei es zu einem teilweisen Erwachen aus dem Tiefschlaf. Während dieser Phasen, die meist nur wenige Minuten dauern, bewegt sich der Schlafende heftig, wirkt verängstigt und zeigt deutliche Merkmale körperlicher Erregung wie schnelle Atmung, Schwitzen und schnellen Herzschlag. Dabei reagiert er nicht auf Reize von außen, also auch nicht auf die Versuche anderer Personen, ihn zu beruhigen. Nach dem Aufwachen besteht keine Erinnerung an die Ereignisse und auch nicht an Träume oder Eindrücke, die die starke Angst hervorgerufen haben könnten. Vor allem Kinder, die von Pavor Nocturnus betroffen sind, neigen phasenweise auch zum Schlafwandeln.

    Studien haben gezeigt, dass Schlafentzug die Neigung zu Ängstlichkeit bei ansonsten gesunden Personen erhöht, wobei Schlafstörungen oft mit Angststörungen verknüpft sind. Das Spektrum reicht dabei von Beeinträchtigungen der Lebensqualität durch übertriebene Ängstlichkeit bis hin zu drastischen Formen wie der posttraumatischen Belastungsstörung oder der generalisierten Angststörung. Obwohl der Zusammenhang zwischen Schlafproblemen und Angst gut dokumentiert ist, gibt es noch immer Unklarheiten über das Ausmaß und die diesem Zusammenhang zugrunde liegenden Mechanismen. Im Rahmen einer Studie haben Ben Simon et al. (2019) die Gehirnaktivität von Probanden mittels funktioneller Magnetresonanztomografie im ausgeschlafenen oder unausgeschlafenen Zustand verglichen. Während eines Gehirnscans wurden die Probanden mit einem emotional aufregenden Video konfrontiert, wobei nach jeder Sitzung durch eine Befragung das persönlich empfundene Angstniveau erhoben wurde. Dabei zeigte sich, dass eine schlaflose Nacht einen Anstieg des Angstniveaus um bis zu dreißig Prozent auslösen kann. Nach einer schlaflosen Nacht war der mediale präfrontale Cortex des Gehirns auffallend inaktiv, also jenes Areal, das eine wichtige Rolle bei der Kontrolle von Angst spielt, während andere emotionale Zentren des Gehirns bei ihnen überaktiv waren. Es zeigte sich auch, dass der Tiefschlaf das ausschlaggebende Element für den emotional stabilisierenden Effekt darstellt, denn besonders der Non-REM-Schlaf führte zu einer Unterdrückung von Ängstlichkeit am folgenden Tag. Tiefschlaf scheint daher den präfrontalen Bremsmechanismus des Gehirns wiederherzustellen, der die Emotionen reguliert, die emotionale und physiologische Reaktivität senkt und damit eine Eskalation der Angst verhindert. Die Ergebnisse deuten vermutlich darauf hin, dass die sinkende Schlafqualität und die Zunahme von Angststörungen möglicherweise ursächlich miteinander verknüpft sind.

    Literatur

    Ben Simon, Eti, Rossi, Aubrey, Harvey, Allison G. & Walker, Matthew P. (2019). Overanxious and underslept. Nature Human Behaviour, doi:10.1038/s41562-019-0754-8.
    Stangl, W. (2017). Stichwort: ‚erlernte Schlaflosigkeit‘. Online Lexikon für Psychologie und Pädagogik.
    WWW: https://lexikon.stangl.eu/7870/erlernte-schlaflosigkeit/ (2017-10-23)
    Stangl, W. (2014). Stichwort: ‚Pavor nocturnus‘. Online Lexikon für Psychologie und Pädagogik.
    WWW: https://lexikon.stangl.eu/4355/pavor-nocturnus/ (2014-10-23)






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