Der von vielen Bildungspolitikern und leider auch selbsternannten Bildungsexperten geforderte Pflichtgegenstand Programmieren schon in den frühesten Bildungseinrichtungen, offenbart nur deren mangelhaftes Wissen in Bezug auf Technologieentwicklung und Digitalisierung. Es wird da auch vollmundig behauptet, dass Programmieren eine Grundtechnik wie Lesen und Schreiben wäre, die jeder schon in der Grundschule erwerben müsse. Das ist natürlich ein Unsinn, wobei eine Analogie wäre, dass man allen Kindern früh beibringen müsse, anspruchsvolle Gedichte oder gar Novellen zu schreiben.
Die anerkannte IT-Expertin und MIT-Forscherin Stephanie Woerner sagt es in einem Interview mit dem Standard am 29. März 2019 deutlich: „Nein, nicht jedes Kind muss programmieren lernen. Es geht darum zu wissen, welche Fragen potenziell programmiert werden können, was automatisiert werden kann, denn das ist es, was einen Beruf einfacher machen könnte. Das Programmieren übernehmen meist ein paar Experten. Auch wenn bestimmte Bereiche nicht programmierbar sind, so ist es mancher Zwischenschritt vielleicht doch.“
Jugendlichen haben heute gravierende Probleme, logische und sequentielle Zusammenhänge zu verstehen, geschweige denn in Code zu verpacken, was aber nicht an deren mangelnden Programmierkenntnissen liegt, sondern schlicht an der Tatsache, dass sie nicht in der Lage sind, ein Problem logisch zu analysieren und eventuell kooperativ mit anderen nach einer Lösung zu suchen. Und es macht auch keinen Sinn, wenn an Universitäten den StudentInnen Programmieren beigebracht wird, denn das reine Codieren ist längst zu einem Rohstoff geworden, der nicht mehr in Hochlohnländern erbracht werden kann.
An Bildungseinrichtungen kann es sinnvollerweise nur darum gehen, ein Verständnis für informatische Prozesse zu entwickeln und die digitale Welt zu begreifen, wozu eben vor allem die Fähigkeit gehört, Aufgaben klar zu strukturieren und Probleme lösungsorientiert zu bewältigen. Dabei können die Herausforderungen der digitalen Welt in jedem Fach angesprochen werden, d. h., die Schülerinnen und Schüler können in jedem Schulfach lernen, wie die digitale Welt funktioniert, wo die Probleme liegen und was sie verstehen müssen, um sie zu durchschauen. Programmieren zu können ist hier nur eine Randkompetenz. Es ist verständlich, dass Informatiker gerne ein Pflichtfach Informatik an den Schulen einführen wollen, wobei es in den von der IT-Industrie angebotenenen Programmen und Apps allein darum geht, diese den Schulen und anderen Bildungseinrichtungen zu verkaufen. So heißt es etwa unter dem Titel „Engagement der Industrie„: Kindern Programmieren beizubringen, ist nicht nur Ziel von Bildungsexperten. Auch die Industrie engagiert sich. Apple hat 2016 die kostenlose iPad-App Swift Playgrounds gestartet, mit der Kinder die Apple-Programmiersprache erlernen können. Samsung veranstaltet in Österreich die Workshop-Reihe Coding for Kids, bei denen Schulklassen das Programmieren von Apps und Robotern beigebracht wird. Microsoft bietet mit Code Builder ein Werkzeug, das Programmierkenntnisse anhand des Spiels Minecraft vermitteln soll.
Es ist daher kategorisch abzulehnen, dass jedes Kind Programmien lernen muss, sondern es wichtig zu verstehen, was digitale Systeme tun. Wer dann Interesse am Programmieren oder generell an Technik hat, die oder den sollte man fördern und es ihr oder ihm ermöglichen, ihre bzw. seine Interessen zu verfolgen.