Die Angst vor Mathematik ist oft viel stärker als vor anderen Fächern und auch Blackouts kommen in Mathematik wesentlich häufiger vor. Viele Kinder klagen vor Prüfungen über Unwohlsein und Schmerzen, wobei mnchgewiesen wurde, dass die Angst vor einer Mathematikarbeit im Gehirn tatsächlich jene Zentren aktiviert, die für körperliche Schmerzen zuständig sind. Hinzu kommt, dass Angst Stress verursacht, und beide zusammen jene Areale des Gehirns blockieren, die für das Denken zuständig sind. Man vermutet, dass diese Angst vor dem Fach Mathematik damit zusammenhängt, dass man es dabei mit einer Überbewertung von Fehlern in der Benotung zu tun hat. Jemand, der eine Mathematikaufgabe falsch berechnet, erhält keine Punkte und das Ergebnis ist einfach nur falsch, was etwa im Gegensatz zur Rechtschreibung steht, denn hat man in einem Diktat zwar viele Wörter falsch geschriebengibt es in der Regel viele Wörter richtig, die richtig zu Papier gebracht wurden.
Oft übertragen Eltern ihre Ängste auf Kinder, ohne es zu wissen. Das passiert einerseits aus Unverständnis, andererseits sind es die eigenen schlechten Erfahrungen mit Mathematik und manchmal sogar Mitleid. Nicht selten sind es bereits Generationen, die dem Fach Mathematik skeptisch gegenüber stehen und daher diese negativen Gefühle auf ihre Kinder und Enkelkinde übertragen. So wird die Angst vor Mathematik oft auf die nächste Generation übertragen.
Hinzu kommt, dass der Mangel an LehrerInnen für die naturwissenschaftlichen Fächer dazu führt, dass oft fachfremde Lehrer den Mathematik-Unterricht übernehmen, wobei gerade diese LehrerInnen Mathematik während ihres Studiums oft abgewählt, weil sie Mathematik nicht konnten oder mochten oder sogar Angst davor hatten. Sie sind demnach nicht nur unsicher und dem Fach nicht wohl gesonnen, sondern haben in den meisten Fällen auch keine Freude an diesem Fach, sodass sie ihr Unbehagen unbewusst auf die SchülerInnen übertragen. Das ist besonders in der Grundschule fatal, denn dort werden die Grundlagen für die Freude und die Leichtigkeit im Umgang mit der Mathematik gelegt. Man weiß, dass Mathematik durchaus Spaß machen kann, wenn LehrerInnen, die begeistert von ihrem Fach sind, diese Begeisterung auf ihre SchülerInnen übertragen.
Auf der Grundlage der Erwartungswert- und der Kontrollwerttheorie haben Szucs & Toffalini (2023) jüngst versucht, mögliche theoretisch begründete subjektive Faktoren zu identifizieren, die für das Verständnis von Mathematikangst entscheidend sein könnten. Sie analysierten Daten von 15-Jährigen aus 65 Ländern und Volkswirtschaften aus dem Datensatz der PISA-Studie 2012 (Programme for International Student Assessment). Dabei zeigte sich, dass die subjektive Selbstwahrnehmung stärker mit der Mathematikangst zusammenhängt als die Mathematikleistung. Es zeigte sich, dass eine höhere Mathematikangst mit einer geringeren wahrgenommenen Kontrolle über mathematische Aktivitäten und einer geringeren subjektiven Erfolgserwartung einherging. Überraschenderweise wiesen Kinder mit einer höheren subjektiven Bewertung von Mathematik eine höhere Mathematikangst auf, obwohl die subjektive Kontrolle und die Erfolgserwartung in Mathematik ähnlich waren. Das heißt, je mehr die Schülerinnen und Schüler das Gefühl hatten, den Lernstoff zu beherrschen, und je mehr sie davon ausgingen, in Mathematikprüfungen erfolgreich zu sein, desto weniger hatten sie Angst vor dem Fach. Der Zusammenhang mit den objektiven Leistungen war dagegen schwächer ausgeprägt: Entgegen den gängigen Stereotypen hatten 80 % der Jugendlichen mit schlechten Mathematikleistungen keine große Angst vor Mathematik, während 80 % der Jugendlichen mit großer Angst vor Mathematik durchschnittliche bis gute Leistungen erzielten. Außerdem gaben Mädchen an, mehr Angst vor Mathematik zu haben und hatten niedrigere Erfolgserwartungen als Jungen, obwohl ihre objektiven Leistungen auf einem ähnlichen Niveau lagen. Es zeigte sich auch, dass Kinder, die Mathematik für wichtiger hielten, mehr Angst vor Mathematik hatten als Kinder, die das Fach für weniger wichtig hielten, obwohl sie ein ähnliches Maß an subjektiver Kontrolle und Erfolgserwartung aufwiesen. Es scheint, dass Interventionen, die darauf abzielen, den Jugendlichen die Wichtigkeit von Mathematik zu vermitteln, kontraproduktiv sind, vor allem wenn sie nicht gleichzeitig das Gefühl vermitteln, das Fach zu beherrschen. Besser wäre es, wenn der subjektive Wert der Mathematik von den Schülern selbst auf natürliche Weise aufgebaut würde, indem ihre Selbstwirksamkeit, ihr Selbstkonzept und ihre Kontrollwahrnehmung verbessert werden.
Literatur
Szucs, Denes & Toffalini, Enrico (2023). Maths anxiety and subjective perception of control, value and success expectancy in mathematics. Royal Society Open Science, 10, doi:10.1098/rsos.231000.
Stangl, W. (2023, 30. November).
Die Angst vor Mathematik. Neuigkeiten aus der wissenschaftlichen Pädagogik.
https://paedagogik-news.stangl.eu/die-angst-vor-mathematik.