Es gibt einen Unterschied zwischen Fake News und Verschwörungstheorien. Wer an eine Verschwörungstheorie glaubt, ist der Meinung, dass einige wenige Menschen mit Macht sich geheim verabredet haben, um etwas zu ihrem Vorteil zu planen, ohne dass die Welt davon erfährt. Fake News verbreitet hingegen jemand bewusst, um andere zu täuschen, denn er oder sie weiß dabei, dass die Informationen falsch sind und hat dabei häufig ein politisches Motiv. Fake News können natürlich Verschwörungstheorien sein, müssen es aber nicht. Davon zu unterscheiden ist auch die Falschmeldung, denn wer sie verbreitet oder weiterleitet, hat in der Regel keine böse Absicht, sondern weiß es bloß einfach nicht besser. Auch wenn der Übergang fließend sein kann, sind Falschmeldungen oder Fake News eben nicht das gleiche wie Verschwörungserzählungen, denn Fake News beinhalten nicht zwingend eine geheime Verschwörung und den Verfassern ist bewusst, dass sie falsch sind. Im Gegensatz dazu glaubt die Mehrheit der Verschwörungsgläubigen wirklich an das, was sie verbreiten, was etwa bei vielen Menschen der Fall ist, die bestimmte medizinische Maßnahmen ablehnen.
Sozialwissenschaftler sprechen daher nicht gerne von Verschwörungstheorien, sondern von Verschwörungserzählungen, denn Theorien basieren auf Fakten, die man wissenschaftlich prüfen kann. Wenn die Fakten der Theorie widersprechen, kann man die Theorie anpassen oder verwerfen, Verschwörungserzählungen hingegen können zwar einzelne korrekte Fakten enthalten, die Verbindungen zwischen ihnen und Schlussfolgerungen daraus sind aber falsch bzw. erfunden. Hinzu kommt, dass ihre Anhänger die Erzählung nicht nachprüfen oder gar korrigieren wollen, wenn es Gegenbeweise gibt, was bei wissenschaftlichen Theorien die Regel ist.
Die typischen Verschwörungsgläubigen gibt es aber nicht, so glaubt etwa die Hälfte der Bevölkerung, dass es geheime Organisationen oder Institutionen gibt, die Einfluss auf politische Entscheidungen haben. Das zeigt, dass Menschen grundsätzlich für Verschwörungserzählungen empfänglich sind, wobei Alter, Intelligenz, Geschlecht, Religion und sogar Bildungsstand kaum eine Rolle spielen, sondern entscheidend ist eher, ob sich Menschen machtlos fühlen oder Schwierigkeiten damit haben, Unsicherheit zu akzeptieren.
Die Wissenschaft hat immer Ungläubige und Verleumder gefunden, die gleich bereit waren, aus relativen Mißerfolgen und vorübergehendem Stillstand Beweise zu ziehen, und die Geständnisse der Gelehrten aufzuzeichnen, die bekennen, daß die Wissenschaft begrenzt ist, die aber versäumen hinzuzufügen, daß sie innerhalb ihrer Grenzen die Herrschaft behält.
Henri Poincaré
Verarbeitung und Instrumentalisierung von Krisen
Die Tatsache, dass Menschen ein Grundbedürfnis nach Kontrolle und Selbstwirksamkeit haben, ist in der Forschung gut dokumentiert. Unerwartete Ereignisse und Krisen können dieses Bild eines sicheren Verständnisses der sozialen Umwelt und eines autonomen Selbst stören und so Gefühle der Unsicherheit, Ohnmacht und Hilflosigkeit erzeugen. Stresstheoretische Ansätze kommen zu dem Schluss, dass als unkontrollierbar empfundene Situationen das Selbstwertgefühl beeinträchtigen, da sie in der Introspektion als Schwäche interpretiert werden, insbesondere in einem System, das auf Leistung und Demonstration von Stärke ausgerichtet ist. Daher ist es ganz natürlich, dass Menschen verschiedene Verarbeitungs- und Bewältigungsstrategien verfolgen, um den Verlust der persönlichen Kontrolle zu kompensieren und dem Gefühl der Hilflosigkeit gegenüber Krisen zu begegnen. So können beispielsweise „Immunisierungen“ eingesetzt werden, die ein „Weitermachen“ trotz anhaltender Krisen propagieren. Durchgängig zeigen Studien eine Spaltung oder Fragmentierung der Realität aufgrund unterschiedlicher Bewertungen der gesellschaftlichen und individuellen
Situation: Der Gesellschaft geht es schlecht, aber mir (und meinem persönlichen Umfeld) geht es gut. Der Glaube an Verschwörungsmythen, esoterische Ideologien und kollektive Schuldzuweisungen sind weitere Kompensations- und Verarbeitungsstrategien. Sie können sich gegen „die da oben“, aber auch gegen „die da unten“ sowie gegen andere richten.
Laterales Lesen als Mittel gegen Fake News
- Corroboration (Stimmen Aussagen aus unterschiedlichen Quellen überein?): Dabei wird geprüft, ob Informationen aus mehreren Dokumenten und von mehreren Quellen ähnlich oder widersprüchlich geschildert werden. Dies dient dazu, die Strittigkeit beziehungsweise die Plausibilität anhand eines Abgleichs externer Informationsquellen zu prüfen.
- Sourcing (Ist die Quelle einer Aussage vertrauenswürdig?): Hier stützen sich die Leserinnen und Leser vor allem bei geringem eigenen Vorwissen auf Metadaten, also auf Informationen über Informationen wie Quellenangaben zum Autor, zum Erscheinungskontext, aber auch zum Stil, um dadurch die Glaubwürdigkeit der Informationen zu prüfen.
Vertrauen in die Wissenschaft
Literatur
Horsthemke, S. (2020). Verschwörungstheoretikern bedeutet es viel, einzigartig zu sein.
WWW: https://www.spektrum.de/news/verschwoerungstheorien-zu-covid-19/1722088 (20-04-17)
Koetke, J., Schumann, K., Bowes, S. M., & Vaupotič, N. (2024). The effect of seeing scientists as intellectually humble on trust in scientists and their research. Nature Human Behaviour, doi:10.1038/s41562-024-02060-x
Stangl, W. (2024, 21. März). Lateral Reading. Stangl notiert ….
https:// notiert.stangl-taller.at/zeitgeistig/lateral-reading/.
Stangl, W. (2024, 21. November). Was macht einen Wissenschaftler vertrauenswürdig? Stangl notiert ….
https:// notiert.stangl-taller.at/grundlagenforschung/was-macht-einen-wissenschaftler-vertrauenswuerdig/.
https://www.quarks.de/gesellschaft/psychologie/was-du-ueber-verschwoerungstheorien-wissen-solltest/ (20-06-19)