Erinnerungen werden durch Gedächtnisspuren – Engramme – codiert, die innerhalb von Teilmengen von Neuronen dargestellt werden, die während des Lernens synchron aktiviert werden. Im Laufe des Lebens eines Menschen aber auch eines Tiers wird eine Vielzahl von Erinnerungen gespeichert, wobei jede Erinnerung eine individuelle Repräsentation im Gehirn aufweist, vergleichbar einem Puzzle, das sich aus vielen Teilen zusammensetzt, in diesem Fall aus dem Muster der Nervenzellen, die Informationen codieren. Um später eine Erinnerung abrufen zu können, müssen ausreichend viele der für ein bestimmtes Muster entscheidenden Neuronen im Gehirn wieder aktiviert werden, damit sich die einzelnen Teile dieses Musters zu einem Ganzen zusammenfügen. Bisher sind die molekularen Mechanismen, die diese Stabilisierung der Engramme in den Neuronen während der Konsolidierung vorantreiben und damit die Möglichkeit ihrer Reaktivierung durch Gedächtnisabruf sicherstellen, noch nicht vollständig erforscht. Gulmez et al. (2020) haben bei Mäusen in einer Studie während der Gedächtniskonsolidierung den Level der De-novo-DNA-Methyltransferase 3a2 (Dnmt3a2) selektiv innerhalb der Gyrus dentatus-Neuronen (siehe unten) manipuliert, die während einer Angstkonditionierung aktiviert werden. Sie fanden heraus, dass eine Dnmt3a2-Hochregulierung die Gedächtnisleistung von Mäusen steigert und die Qualität der Rekonstitution des ursprünglichen neuronalen Ensembles bei der Gedächtnisabfrage deutlich verbessert. Dabei ist das dafür verantwortliche Protein Dnmt3a2 ein epigenetischer Faktor, der das Erbgut chemisch modifiziert und damit auf Erinnerungsprozesse Einfluss nimmt. Schon eine geringe Steigerung führte bei den Tieren zu einer verbesserten Gedächtnisleistung, wobei die für die Erinnerung entscheidenden Neuronen besser reaktiviert wurden, sodass man experimentell diese Reaktivierung der Angst sogar präzise modulieren konnte.
Der Gyrus Dentatus gilt als Eingangsstation der Hirnregion Hippocampus, die Informationen aus dem Kurzzeit- in das Langzeitgedächtnis überführt. Er besteht aus Körnerzellen, die besonders dicht in dieser Gehirnregion vorkommen, und Interneuronen, die im zentralen oder peripheren Nervensystem zwischen mehreren Nervenzellen geschaltet sind und einen hemmenden Effekt auf deren Aktivität haben, d. h., beide Zelltypen verarbeiten Informationen und unterscheiden eng verwandte Erinnerungen. Elgueta et al. (2019) haben in einer Untersuchung herausgefunden, warum Körnerzellen und Interneuronen eingehende Signale unterschiedlich verarbeiten, denn sie haben grundlegend unterschiedliche Strukturen und funktionelle Eigenschaften. Die dendritischen Fortsätze der Nervenzellen nehmen eingehende Signale vergleichbar mit Antennen auf, während die Interneuronen durch Chloridtransporter die hemmende Signale verstärken können, und aufgrund der hohen Dichte an GABAA-Rezeptoren stark gehemmt werden. Das bedeutet, dass sie Informationen nicht direkt verarbeiten, sondern bestimmen, welche Körnerzellen sich an der Informationsverarbeitung beteiligen. Körnerzellen dagegen weisen geringere Dichten von GABAA-Rezeptoren auf und werden kaum gehemmt, d. h. sie verarbeiten und verschlüsseln Signale aus der Umwelt und fügen sie zu einer Art Karte im Gyrus Dentatus zusammen. Ändert sich nun die Hemmung in Zellen des Gehirns, können Fehlfunktionen beim Verarbeiten, Verschlüssen und Abrufen von Informationen auftreten was etwa die Gedächtnisleistung beeinträchtigen und zu neurologischen Erkrankungen führen kann.
Literatur
Elgueta, C. & Bartos, M. (2019). Dendritic inhibition differentially regulates excitability of dentate gyrus parvalbumin-expressing interneurons and granule cells. Nature Communications, 10, doi:10.1038/s41467-019-13533-3.
Gulmez Karaca, Kubra, Kupke, Janina, Brito, David V. C., Zeuch, Benjamin, Thome, Christian, Weichenhan, Dieter, Lutsik, Pavlo, Plass, Christoph & Oliveira, Ana M. M. (2020). Neuronal ensemble-specific DNA methylation strengthens engram stability. Nature Communications, 11, doi:10.1038/s41467-020-14498-4.