Meissner et al. (2020) versuchen in ihrer Forschung, die molekularen Grundlagen des Placebo-Effekts zu untersuchen, denn bisher untersuchte man vorwiegend die dabei wirksamen Gehirnaktivitäten, doch sind die physiologischen Mechanismen hinter dem Phänomen Placebo bislang nur unzureichend verstanden. Man setzte dabei Probanden gezielt einem Übelkeitsreiz (Vektionsreiz) aus, befragte die Probanden nach Symptomen, maß die Magenaktivität und entnahm Blutproben für die Proteomik-Analyse – eine Untersuchung aller im Körper vorkommenden Proteine. Am Tag darauf testete man in verschiedenen Gruppen, wie die Probanden auf eine Placebo-Behandlung im Vergleich zu keiner und echter Behandlung reagierten. Bei einer echten Behandlung gegen Übelkeit stimuliert ein TENS-Gerät mit leichtem Strom bestimmte Akupunkturpunkte, bei der Placebo-Behandlung wurde ein Placebo-Punkt entweder nur oberflächlich behandelt oder das Gerät erst gar nicht eingeschaltet. Man fand bei der Proteomik-Analyse spezifische Proteine, die mit einer schnellen Immunantwort bei Auftreten von Übelkeit in Verbindung stehen, d. h., offenbar unterdrückt die Placebo-Behandlung diese schnelle Immun-Antwort. Zudem gab es Hinweise, dass Proteine wie Neurexin oder Reelin, die für empathisches Verhalten und Bindung eine wichtige Rolle spielen, mit dem Placeboeffekt auf Übelkeit assoziiert waren, d. h., Bindungshormone können offenbar einen Placebo-Effekt noch verstärken. Dieses Phänomen könnte also auch eine evolutionäre Wurzel haben. Die dabei entdeckte Proteinsignatur im Blutplasma konnte mit erstaunlich hoher Genauigkeit vorhersagen, welcher Proband einen großen Placebo-Effekt entwickeln würde. Ein weiterer physiologischen Marker von Übelkeit, die Magenaktivität, führte bei Placebo-Behandlung zu einer messbaren Veränderung der Magenaktivität bei Frauen, bei Männern hingegen nicht.
Literatur
Meissner, K., Lutter, D., von Toerne, C., Haile, A., Woods, S. C., Hoffmann, V., Ohmayer, U., Hauck, Stefanie M. & Tschoep, Matthias H. (2020). Molecular classification of the placebo effect in nausea. PLoS ONE, 15, doi:10.1371/journal.pone.0238533.
https://www.uni-muenchen.de/forschung/news/2020/meissner_placebo.html (20-09-28)