Der Psychologe David Loschelder hat gemeinsam KollegInnen in internationalen Studien festgestellt, dass im Vergleich Appelle, die eine Covid-19-Erkrankung als potenziell tödliche Gefahr für die befragte Person selbst darstellen, wirksamer sind als Appelle, doch durch Einhaltung der Regeln die Gesundheit der Mitmenschen durch das eigene Verhalten zu schützen. Die aktuelle Studie spricht daher deutlich für die Macht der Angst, da die Angst um das eigene Wohlergehen am ehesten dazu motiviert, sich an die Rgeln zu halten, weil auf diese Weise die persönliche Risikowahrnehmung und Sorge aktiviert werden. Die Angst um die Gesundheit der Mitmenschen zeigte keinen bzw. manchmal sogar einen minimal kontraproduktiven Effekt.
Übrigens: Ängste sichern evolutionär betrachtet das Überleben der Menschen, doch bilden sie nicht immer die reale Gefahrenlage ab, denn die Risikoeinschätzung des Menschen ist äußerst unzuverlässig. Menschen fällt es schwer, in Wahrscheinlichkeiten zu denken, wobei sich in Untersuchungen zeigte, dass die meisten Menschen schon mit relativ einfachen Wahrscheinlichkeitsfragen überfordert sind. Das führt dazu, dass die Risikowahrnehmung von Menschen aufgrund von zahlreichen psychologischen Verzerrungseffekten deutlich von den realen Risiken abweicht. Auch ist Angstempfinden keine Konstante, sondern einem historischen Wandel unterworfen, denn früher standen etwa Pandemien im Zeichen eines Emotionsregimes, das geprägt war von dem Bemühen, Panik zu vermeiden, d. h., es dominierte die Angst vor der Angst. Seit einigen Jahrzehnten ist die Angst aber kulturell aufgewertet worden, und zwar nicht nur persönlich sondern auch öffentlich, denn es ist schon seit vielen Jahren weniger verpönt als früher, über eigene Ängste zu sprechen (Pilgram, 2020).
Offenbar fördert diese Entwicklung vor allem die Angst um sich selber und weniger die um die Mitmenschen!
Literatur
https://www.sueddeutsche.de/wissen/psychologie-corona-covid-19-pandemie-abstandsregeln-1.5152695 (20-12-22)