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Kognitive Resilienz

    Die in letzter Zeit gestiegene Lebenserwartung der Menschen geht mit einer Zunahme der Demenzerkrankungen einher, was die Notwendigkeit unterstreicht, die kognitiven Funktionen in der alternden Bevölkerung zu erhalten. Ein gewisser Prozentsatz von Menschen mit pathologischen Merkmalen einer neurodegenerativen Erkrankung ist aber in der Lage, die normalen kognitiven Funktion zu erhalten, was bedeutt, dass diese über eine hohe kognitive Resilienz verfügen. Der effektivste Auslöser für kognitive Resilienz ist sowohl bei Menschen aber auch bei Tieren eine angereicherte, kognitiv stimulierende Umgebung. Barker et al. (2021) zogen einige Mäuse in leeren Käfigen auf, anderen stand ein Laufrad und Spielzeug zur Verfügung, das alle paar Tage ausgetauscht wurde, wobei die anschließende Untersuchung der Gehirne ergab, dass die anregenden Tätigkeiten Auswirkungen auf das Epigenom und insbesondere das Gen MEF2C hatten. Dadurch konnte man ein Profil der molekularen Veränderungen, die durch die Anreicherung der Umwelt in Mäusen entstehen, erstellen, was zur Identifizierung der MEF2-Transkriptionsfaktoren führte. MEF2 (Myocyte Enhancer Factor 2) ist ein Transkriptionsfaktor, der auch an der Entwick­lung und Funktion von Nervenzellen beteiligt ist, sodass man danach in Biobanken die Hirnzellen von Verstorbenen untersuchte, wobei man feststellte, dass das MEF2-Transkriptionsnetzwerk unter den Genen überrepräsentiert war. Der Nachweis der Kausalität gelangt dann bei Knock-out-Mäusen, bei denen einzelne Gene aus dem Erbgut eliminiert wurden, da diese ohne MEF2 nicht mehr von der anregenden Umgebung in ihrem Käfig profitierten und keine kognitive Resilienz entwickelten, d. h., sie erkrankten genauso schnell wie andere Tiere an Demenz. Man erhofft sich dadurch auch therapeutische Ansätze zu finden.


    Übrigens: Das Ausmaß der Resilienz eines Menschen hängt nicht nur von der Persönlichkeit ab, sondern wird stark durch Beziehungen und Netzwerke beeinflusst. Manchmal neigt man dazu, sich in Lebensphasen, in denen man sich gestresst und überfordert fühlt, nur auf sich selbst zu fokussieren und dabei zu hoffen, dass man die Resilienz schon irgendwie in sich findet. Dabei ist es gerade in solchen Zeiten besser, durch die Verbindung zu anderen die eigene Resilienz zu stärken. Interaktionen mit anderen erlauben es doch erst, unterschiedliche Perspektiven auf eine Situation zu entwickeln. Gerade der Austausch mit Menschen aus unterschiedlichen Lebensbereichen ermöglicht es, die eigene Persönlichkeit zu entfalten und mit einem weiten Blick auf die aktuelle Situation zu schauen.

    Literatur

    Barker Scarlett J., Raju Ravikiran M., Milman Noah E.P., Wang Jun, Davila-Velderrain Jose, Gunter-Rahman Fatima, Parro Cameron C., Bozzelli P. Lorenzo, Abdurrob Fatema, Abdelaal Karim, Bennett David A., Kellis Manolis, Tsai Li-Huei (2021). MEF2 is a key regulator of cognitive potential and confers resilience to neurodegeneration. American Association for the Advancement of Science, doi:10.1126/scitranslmed.abd7695.