Der Mensch verfügt über ein gemeinsames sensorisches System mit einem gemeinsamen anatomischen Bauplan, aber die individuelle sensorische Erfahrung ist zwischen den Menschen dennoch häufig unterschiedlich. Beim Geruchssinn ist bisher nicht bekannt, inwieweit die Sinneswahrnehmung, insbesondere die Wahrnehmung der Annehmlichkeit von Gerüchen, auf universellen Prinzipien beruht, die von der Kultur diktiert werden, oder lediglich eine Frage des persönlichen Geschmacks ist.
Um diese Frage zu klären, baten Arshamian et al. (2022) Menschen aus neun verschiedenen nicht-westlichen Kulturen – von Jägern und Sammlern bis hin zu Stadtbewohnern -, monomolekulare Geruchsstoffe in eine Rangfolge von sehr angenehm bis weniger angenehm zu bringen. Entgegen den Erwartungen erklärte die Kultur nur 6 % der Varianz in der Bewertung der Annehmlichkeit, während die individuelle Variabilität oder der persönliche Geschmack 54 % erklärten.
Bedeutsam war aber, dass es eine beträchtliche globale Konsistenz gab, wobei die molekulare Identität 41 % der Varianz in der Bewertung der Annehmlichkeit von Gerüchen erklärte. Auch wenn die Studienteilnehmer einer regionalen Gruppe hie und da unterschiedliche Urteile abgaben, waren sich die Menschen aus den verschiedenen Ländern insgesamt dennoch einig, was für sie gut riecht und was weniger gut riecht, denn so war etwa Vanillin durchwegs am beliebtesten, wohingegen die meisten Isovaleriansäure widerlich fanden.
Insgesamt zeigte diese Untersuchung, dass die menschliche Geruchswahrnehmung stark durch universelle Prinzipien eingeschränkt ist, d. h., dass Menschen aus den verschiedensten Kulturen erstaunlich ähnlich empfinden, was wohlriechend oder ekelig ist. Offenbar stellten diese global gleichen Vorlieben im Verlauf der Evolution einen Überlebensvorteil dar und hinderte die Menschen daran, Giftiges oder Verfaultes zu essen.
Literatur
Arshamian, Artin, Gerkin, Richard, Kruspe, Nicole, Wnuk, Ewelina, Floyd, Simeon, O’Meara, Carolyn, Rodriguez, Gabriela, Lundström, Johan, Mainland, Joel, & Majid, Asifa (2022). The perception of odor pleasantness is shared across cultures. Current Biology, 32, doi:10.1016/j.cub.2022.02.062.