Es wird vermutet, dass es sich bei der Alzheimer-Krankheit und verwandten Demenzerkrankungen um eine moderne Krankheit handelt. Griechen und Römer beschäftigten sich vor allem mit den körperlichen Gebrechen des Alters und erwähnten den fortgeschrittenen kognitiven Verfall kaum. Da in den üblichen Krankengeschichten älterer Menschen der kognitive Verfall nicht erwähnt wird, haben Finch & Burstein (2024) Texte griechischer und römischer Autoren untersucht, in denen Gedächtnisverlust und Demenz erwähnt werden. Dabei wurden Primärtexte griechisch-römischer Autoren vom 8. Jahrhundert v. Chr. bis zum 3. Jahrhundert n. Chr. identifiziert und kritisch bewertet, in denen kognitiver Verfall erwähnt wird. So wurden Schriften von Hippokrates und seinen Nachfolgern überprüft.
Es zeigt sich, dass keine antike Darstellung des kognitiven Verlusts den modernen klinischen Daten entspricht. Der Begriff Demenz wurde zwar in der Antike gelegentlich verwendet, aber nicht ausnahmslos mit dem Alter in Verbindung gebracht. Altersgebrechen wie Blindheit, Taubheit oder Verdauungsprobleme werden zwar berichtet, aber nur sehr selten Symptomen einer Demenz, wie Gedächtnis- und Sprachverlust oder kognitiven Problemen. Die alten Griechen und Römer erwarteten von ihren Mitbürgern auch im Alter von über sechzig Jahren intellektuelle Kompetenz. Obwohl ein gewisser Gedächtnisverlust anerkannt wurde, gibt es nur vier Berichte über schwere kognitive Verluste, die auf eine Erkrankung hindeuten könnten. Ein Beispiel ist der Senator Valerius Messalla Corvinus, über den ab 80 n. Chr. berichtet wird, dass er seinen Namen vergaß. Cicero schrieb über eine altersbedingte Verdummung. Die zunehmende Verstädterung im Römischen Reich führte zu einer erhöhten Luftverschmutzung in den Städten aufgrund vieler offener Kochstellen. Zudem könnte die Verwendung von bleihaltigen Gefäßen zu kognitiven Erkrankungen geführt haben.
Die Möglichkeit einer bescheidenen Prävalenz von Alzheimer-Krankheit und verwandten Demenzerkrankungen im antiken Griechenland und Rom steht übrigens im Einklang mit der geringen Prävalenz bei den Tsimane in Bolivien. Diese zeitgenössischen Indianer haben einen ähnlichen vorindustriellen Lebensstil wie die alten Griechen und Römer. Die Demenz-Quote beträgt ebenfalls nur rund ein Prozent. Nach dem 60. Lebensjahr zeigen Tsimane vermehrt leichte kognitive Beeinträchtigungen, doch die wenigen Fälle von Demenz waren klinisch nicht mit Alzheimer vergleichbar.
Literatur
Finch, Caleb E. & Burstein, Stanley M. (2024). Dementia in the Ancient Greco-Roman World Was Minimally Mentioned. Journal of Alzheimer’s Disease, 98, 1-8.