So gut und wichtig es ist, dass Menschen ihre Verhaltensmuster, Verletzungen und schwierigen Gefühle verstehen, so sehr kann Selbstbespiegelung auf Dauer daran hindern, Verantwortung für das eigene Handeln zu übernehmen. Gitta Jacob benennt in ihrem Buch die Grenzen der Psychotherapie und die Gefahren, die das ständige Kreisen um das innere Kind mit sich bringen kann. Die weit verbreitete Annahme, man könne nur glücklich sein, wenn man sich nur genug mit der eigenen Psyche beschäftige, hält sie für falsch. Zwar sei es gut und wichtig, dass Menschen ihre Verhaltensmuster, Verletzungen und schwierigen Gefühle verstehen. Die Psychologie hat in großen Gruppen unserer Gesellschaft einen starken Einfluss gewonnen, wobei der Trend zur Psychologisierung stark mit dem Trend zur Psychotherapie einhergeht, da es dort um ähnliche Themen geht und viele psychologische Techniken, z.B. rund um die Themen inneres Kind, Selbstliebe und Selbstfürsorge, auch über die Psychotherapie in die Gesellschaft geschwappt sind. Sicherlich kann es nicht schaden, sich gelegentlich vor Augen zu führen, dass auch vermeintliche Kleinigkeiten bei manchen Menschen nachhaltige Sorgen und Ängste auslösen können, aber es gibt auch sinnvolle Grenzen.
Gewisse seelische Erschütterungen und Frustrationen gehören zum Leben und gelegentliche Unsicherheiten zum normalen menschlichen Erleben. Auch ist eine psychotherapeutische Behandlung, die stark auf die Traumatisierung fokussiert, nicht immer hilfreich, da viele Betroffene dadurch auch eine Verschlechterung ihrer Stimmungslage erleben. Aus diesem Grund empfehlen einige Traumaexperten inzwischen auch die sogenannte »Present-Centered Therapy«. Diese konzentriert sich nicht auf die Aufarbeitung des Traumas, sondern auf die Verbesserung der aktuellen Lebenssituation. Sie ist oft genauso wirksam wie die Traumatherapie, wird aber von den Betroffenen oft besser akzeptiert. Außerdem kann sie einfacher sein, da man sich nicht mit den schwierigen Erinnerungen an das Trauma auseinandersetzen muss.