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Verdrängung ist nicht so schlecht wie ihr Ruf

    Die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse stellen die bisherigen Annahmen über Verdrängung in Frage. Entgegen der traditionellen Psychoanalyse nach Sigmund Freud, der Verdrängung als grundsätzlich schädlich für die psychische Gesundheit betrachtete, zeigen aktuelle Studien, dass Verdrängungsmechanismen durchaus positive Auswirkungen haben können.

    Eine  Untersuchung der Universität Cambridge mit 120 Teilnehmern aus 16 verschiedenen Ländern kam zu dem Ergebnis, dass das aktive Blockieren unerwünschter Gedanken zu einer messbaren Verbesserung des mentalen Wohlbefindens führen kann. Die Teilnehmer berichteten nach einem dreitägigen Training, bei dem sie lernten, negative Gedanken zu unterdrücken, von weniger lebhaften Grübeleien und einer insgesamt besseren psychischen Verfassung. Diese positiven Effekte hielten auch drei Monate später noch an. Weitere Studien, wie eine Untersuchung unter Überlebenden des Bataclan-Attentats in Paris, bestätigen diese Erkenntnisse. Demnach können Verdrängungsmechanismen als wichtiger Schutzmechanismus des Gehirns fungieren, der bei Ängsten, Depressionen und anderen psychischen Belastungen hilfreich sein kann. Aus dieser Perspektive muss nicht jedes Problem zwangsläufig umfassend aufgearbeitet werden. In vielen Fällen kann Verdrängung eine gesunde Strategie zur Bewältigung des Alltags darstellen. Allerdings ist es wichtig, individuell abzuwägen, wann Verdrängung angebracht ist und wann eine aktive Auseinandersetzung mit den Problemen sinnvoller erscheint. Bei traumatischen Erlebnissen kann Verdrängung als Schutzmechanismus dienen, bei Problemen mit konkreten Konsequenzen ist eine bewusste Aufarbeitung oft zielführender.

    Insgesamt zeigt sich, dass Verdrängung mehr Nuancen aufweist, als bisher angenommen. Sie kann in bestimmten Kontexten sogar eine produktive Rolle für die psychische Gesundheit spielen – eine Erkenntnis, die das traditionelle Bild der Psychoanalyse herausfordert und neue Wege für den Umgang mit psychischen Belastungen eröffnet.

    Literatur
    Mamat, Zulkayda & Anderson, Michael C. (2023). Improving mental health by training the suppression of unwanted thoughts. Science Advances, 9, doi:10.1126/sciadv.adh5292.





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