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Die Auswirkungen von Cannabis auf das Gedächtnis

    Cannabis gilt in der öffentlichen Wahrnehmung oft als Substanz, die das Gedächtnis und die kognitive Leistungsfähigkeit beeinträchtigt. Viele Konsument:innen werden als „vergesslich“ und „verpeilt“ wahrgenommen, was zu der weit verbreiteten Vorstellung führt, dass der Konsum von Marihuana das Gedächtnis negativ beeinflusst. Doch was passiert wirklich im Gehirn, wenn jemand regelmäßig Cannabis konsumiert? Zwei aktuelle Studien beleuchten die möglichen Auswirkungen von Cannabis auf das Arbeitsgedächtnis und erweitern unser Verständnis über die langfristigen Effekte des Konsums.

    Auswirkungen auf das Arbeitsgedächtnis

    Die erste Studie, die in der Fachzeitschrift JAMA Network Open veröffentlicht wurde, untersuchte die Auswirkungen von Cannabis auf das Arbeitsgedächtnis. Arbeitsgedächtnis ist die Fähigkeit, Informationen kurzfristig zu speichern und zu bearbeiten, was insbesondere für alltägliche Aufgaben wie das Merken von Gesprächsinhalten oder das Planen von Aktivitäten wichtig ist. Für diese Untersuchung wurden die Daten von 1003 jungen Erwachsenen zwischen 22 und 36 Jahren verwendet. Diese wurden auf Basis von Magnetresonanztomographien (MRT), Urintests und Angaben zum Cannabiskonsum analysiert. Man fand dabei heraus, dass der Konsum von Cannabis die Gehirnaktivität in Bereichen verringert, die mit Gedächtnis, Entscheidungsfindung und Aufmerksamkeit in Verbindung stehen. Besonders auffällig war der Zusammenhang zwischen intensiven und häufigen Konsumgewohnheiten und einer verringerten Gehirnaktivität während einer Aufgabe, die das Arbeitsgedächtnis prüfte. 63% der Konsument:innen, die über 1000 Mal Cannabis konsumiert hatten, zeigten eine reduzierte Aktivität in den entsprechenden Gehirnregionen. Dies weist darauf hin, dass ein intensiver Cannabiskonsum das Arbeitsgedächtnis langfristig beeinträchtigen könnte. Diese Ergebnisse stützen sich auf die Erkenntnis, dass sowohl der langfristige als auch der kurzfristige Konsum von Cannabis zu einer Verminderung der kognitiven Fähigkeiten führen kann, was besonders im sozialen und beruflichen Kontext problematisch sein kann (Gowin et al., 2025).

    Weitere Erkenntnisse und langfristige Auswirkungen

    Ein zentrales Element der Studie von Gowin et al. (2025) war die Untersuchung, ob der Konsum von Cannabis auch langfristige Veränderungen in der Gehirnaktivität nach sich zieht. Die Forscher:innen fanden heraus, dass die Gehirnaktivität der Teilnehmer:innen, die in ihrem Leben mehr als 1000 Mal Cannabis konsumiert hatten, während des Arbeitsgedächtnistests signifikant niedriger war als die der Nicht-Konsumenten. Besonders betroffen waren Regionen im Gehirn, die mit höheren kognitiven Funktionen wie der Entscheidungsfindung und der Emotionsverarbeitung verknüpft sind, darunter die anterior Insula und der dorsolaterale präfrontale Cortex. Die Frage, ob diese Veränderungen dauerhaft sind oder ob sich die kognitiven Fähigkeiten nach dem Absetzen von Cannabis erholen können, bleibt jedoch offen. Die Studie bietet keine Hinweise darauf, ob die Gehirnaktivität nach einer längeren Abstinenz wieder auf das ursprüngliche Niveau zurückkehrt. Diese Unklarheit zeigt auf, dass der langfristige Einfluss von Cannabis auf das Gehirn weiterhin ein ungelöstes Rätsel bleibt.

    Cannabis und Stereotype

    In Bezug auf die kulturellen Stereotype, die mit dem Konsum von Cannabis verbunden sind, gab es in der Studie von Boyd (2025) eine interessante Bemerkung: Obwohl die Ergebnisse der Studie das Gedächtnis negativ beeinflussen, bestätigen sie auch die vorherrschenden Vorurteile gegenüber Cannabis-Konsument:innen. Diese Vorurteile besagen oft, dass Konsumenten Schwierigkeiten haben, sich Dinge zu merken, wie zum Beispiel Einkauflisten oder Termine. Carol Boyd, eine anerkannte Forscherin auf diesem Gebiet, stellt fest, dass die Studie das Bild des „vergesslichen Kiffers“ wissenschaftlich unterstützt, ohne jedoch konkrete Beweise dafür zu liefern, dass Cannabis tatsächlich das Gehirn dauerhaft schädigt. Boyd betont, dass eine vollständige Antwort auf die Frage, ob Cannabis das Gehirn langfristig schädigt, nur durch weitere Forschung möglich ist. Diese Forschung müsste auch untersuchen, ob sich das Arbeitsgedächtnis bei Abstinenz wieder verbessert und ob dies auf eine echte Regeneration der Gehirnaktivität hinweist.

    Beide Studien liefern wichtige Erkenntnisse über die Auswirkungen von Cannabis auf das Arbeitsgedächtnis und erweitern das Verständnis für die kognitiven Effekte des Konsums. Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass insbesondere bei starkem und langfristigem Konsum von Cannabis eine signifikante Beeinträchtigung der Gehirnaktivität in Bereichen auftritt, die mit dem Arbeitsgedächtnis, der Aufmerksamkeit und der Entscheidungsfindung verbunden sind. Doch trotz dieser Beeinträchtigungen bleibt unklar, ob diese Auswirkungen dauerhaft sind oder ob sie reversibel sind, wenn der Konsum eingestellt wird. Die Forschung auf diesem Gebiet muss weitergeführt werden, um definitive Aussagen über die langfristigen Folgen des Cannabiskonsums zu treffen.

    Literatur

    Boyd, C. (2025). Cannabis und das Arbeitsgedächtnis: Ein Überblick über aktuelle Studien. CNN.
    Gowin, J. L., Ellingson, J. M., Karoly, H. C., Manza, P., Ross, J. M., Sloan, M. E., Tanabe, J. L. & Volkow, N. D. (2025). Brain Function Outcomes of Recent and Lifetime Cannabis Use. JAMA Network Open, 8, doi:10.1001/jamanetworkopen.2024.57069






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