Erdmännchen zählen zu den wenigen Tierarten, die nicht nur durch Nachahmung, sondern durch gezielten Unterricht Wissen an die nächste Generation weitergeben. Besonders auffällig ist dies bei der riskanten Jagd auf Skorpione, die als wertvolle Nahrungsquelle dienen, jedoch spezielle Techniken erfordert. In den Kolonien, die aus vier bis dreißig Individuen bestehen und von einem dominanten Weibchen angeführt werden, wird der Nachwuchs gemeinschaftlich betreut und systematisch geschult. Die Ausbildung folgt einem klar erkennbaren Stufenplan: Zunächst erhalten die Jungtiere tote Skorpione, später lebende Exemplare, deren Stachel zuvor unschädlich gemacht wurde, bis sie schließlich selbstständig den Fang meistern müssen.
Die Besonderheit liegt darin, dass die Erwachsenen ihre Vorgehensweise an das jeweilige Entwicklungsstadium der Jungtiere anpassen. Der Zoologe Alex Thornton von der Universität Exeter konnte nachweisen, dass die Rufe der Jungtiere den entscheidenden Hinweis auf ihr Alter und ihre Lernstufe geben. In Experimenten spielte er Kolonien die Laute von unterschiedlich alten Jungtieren vor und beobachtete, dass die erwachsenen Tiere daraufhin jeweils passende Beute präsentierten. Selbst wenn die anwesenden Jungtiere ein anderes Alter hatten, richteten sich die Erwachsenen nach den abgespielten Lauten.
Diese Ergebnisse zeigen, dass Erdmännchen über einen einfachen, aber effektiven Mechanismus verfügen, um Lernprozesse zu steuern. Sie investieren Zeit und Energie, um anderen das Erlernen komplexer Fertigkeiten zu ermöglichen, was im Tierreich eine Seltenheit darstellt. Damit stellen sie ein bemerkenswertes Beispiel für strukturierten Wissenstransfer und soziale Kooperation unter nichtmenschlichen Tieren dar.
Literatur
Thornton, A. & McAuliffe, K. (2006). Teaching in wild meerkats. Science, 313(5784), 227–229.