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Berufliche Anforderungen und geistige Gesundheit

    Das Konzept der kognitiven Reserve schreibt dem menschlichen Gehirn die Fähigkeit zu, verschiedene Schädigungen, die etwa durch Erkrankungen oder durch die natürliche Alterung entstanden sind, bewältigen zu können und so wesentliche Funktionen erhalten zu können. Man versucht mit diesem Modell zu erklären, warum einige Menschen im gleichen Alter mit ähnlichen neuronalen Schäden nicht die gleichen Symptome oder die gleichen kognitiven Beeinträchtigungen zeigen. Es gibt dabei Faktoren, die die kognitive Reserve des Gehirns zu beeinflussen scheinen, wie etwa das Gehirnvolumen, die Verbindungen zwischen Neuronen, die Gehirnaktivität, die Menschen im Laufe ihres Lebens gezeigt haben. Die Hypothese der kognitiven Reserve postuliert also, dass kognitiv stimulierende Arbeit im Berufsleben das Auftreten leichter kognitiver Beeinträchtigungen und Demenz verzögern kann, so dass Edwin et al. (2024) nun die Auswirkungen unterschiedlicher beruflicher kognitiver Anforderungen in der Lebensmitte auf das Risiko für diese Erkrankungen untersucht haben.

    Im Rahmen der HUNT4 70+ Studie wurde mit Hilfe eines Kohortendesigns der Zusammenhang zwischen beruflichen kognitiven Anforderungen im Alter von 30 bis 65 Jahren und klinisch diagnostizierten kognitiven Beeinträchtigungen und Demenz bei den Teilnehmern untersucht. Auf der Grundlage von Längsschnittdaten für 305 einzelne Berufe wurden vier Gruppen identifiziert: von wenig herausfordernden manuellen Tätigkeiten in der Fabrik, die Geschwindigkeit und sich wiederholende Bewegungen erfordern, bis hin zu herausfordernden Tätigkeiten, die die Analyse und Interpretation von Informationen oder kreatives Denken erfordern. Auch soziale Aufgaben wie Coaching und Öffentlichkeitsarbeit, bei denen es auf den Aufbau und die Pflege persönlicher Beziehungen ankommt, wurden als Beispiele für geistig anspruchsvolle Tätigkeiten genannt.
    Es zeigte sich, dass Menschen, die eine kognitiv stimulierende Tätigkeit ausübten, ein geringeres Risiko hatten, im Alter von über 70 Jahren an kognitiven Störungen und Demenz zu erkranken. Die Gruppe mit den niedrigsten kognitiven Anforderungen bei der früheren Arbeit hatte ein um 66 Prozent höheres Risiko für eine leichte kognitive Beeinträchtigung als die Gruppe mit den höchsten kognitiven Anforderungen. Dies unterstreicht die Bedeutung beruflicher kognitiver Stimulation in der Lebensmitte für den Erhalt kognitiver Funktionen im Alter.

    Literatur

    Edwin, Trine H., Håberg, Asta K., Zotcheva, Ekaterina, Bratsberg, Bernt, Jugessur, Astanand, Engdahl, Bo, Bowen, Catherine, Selbæk, Geir, Kohler, Hans-Peter, Harris, Jennifer R., Tom, Sarah E., Krokstad, Steinar, Mekonnen, Teferi, Stern, Yaakov, Skirbekk, Vegard F. & Strand, Bjørn H. (2024). Trajectories of Occupational Cognitive Demands and Risk of Mild Cognitive Impairment and Dementia in Later Life. Neurology, 102, doi:10.1212/WNL.0000000000209353.






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