Es besteht heute leider eine Tendenz, bewegungsfreudige, neugierige und kontaktfreudige Kinder skeptisch zu betrachten. Hinzu kommen die beschränkten Möglichkeiten, sich im Freien auszutoben, und der stetig wachsende schulische Leistungsdruck, der schon von kleinen Kindern eine hohe Selbstkontrolle fordert. Diskussionen um AD(H)S, das Aufmerksamkeitsdefizit-Syndrom mit Hyperaktivität, verunsichert manche meist gestresste Eltern mit unruhigen und bewegungsfreudigen Kindern. Es ist übrigens mittlerweile erwiesen, dass unruhige Bewegungen bei Kindern und Jugendlichen ganz natürlich sind und sogar das Gehirn stimulieren. Vor allem der Brust- und Halsbereich von unruhig sitzenden Jugendlichen wird stärker durchblutet, was auf eine besonders gute Sauerstoffversorgung des Gehirns hindeutet. Zappeln aktiviert letztlich also auch die übrigen Sinne im Körper und sorgt unter Umständen sogar für mehr Aufnahmefähigkeit. Siehe dazu im Detail Den Bewegungsdrang von Kindern für das Lernen nutzen.
Das Syndrom wird in der wissenschaftlichen Literatur schon seit über 100 Jahren beschrieben. Allgemein bekannt ist die Darstellung des Krankheitsbildes als „Zappelphilipp„, den der Frankfurter Arzt Heinrich Hoffmann 1845 sehr anschaulich im „Struwwelpeter“ beschrieb. Ältere, teilweise noch gebräuchliche Bezeichnungen sind neben dem Zappelphilipp-Syndrom, psycho-organisches Syndrom (POS) und minimale cerebrale Dysfunktion (MCD). Nach dem heutigen Stand der Wissenschaft ist ADHS eine genetisch mitbedingte neurobiologische Störung. Bei manchen Menschen tritt ausschließlich die hyperkinetische Störung auf, bei anderen alleine die Aufmerksamkeitsdefizit-Störung. Oft bestehen jedoch Aufmerksamkeitsdefizit und Hyperaktivität gemeinsam. Kinder mit ADHS haben statistisch häufiger auch einen Elternteil mit dieser Symptomatik, und neuere Studien liefern zumindest Hinweise, dass betroffene Kinder deutlich häufiger als andere Kinder manche DNA-Abschnitte besitzen, die entweder fehlen oder doppelt vorhanden sind, doch wird ADHS sicher nicht von einer einzelnen genetischen Veränderung verursacht, sondern von mehreren. Bekanntlich werden genetische Unterschiede bei Menschen meist nur im Zusammenspiel mit Umweltbedingungen wirksam, d.h., dass bestimmte förderliche Umweltbedingunen die Symptomatik positiv beeinflussen können.
Das Marburger Konzentrationstraining (MKT) ist eine erfolgreiche Methode, das Problem ohne Medikamente (Ritalin) in den Griff zu bekommen. Normalerweise lernen Kinder von alleine aufmerksam zu sein und sich zu konzentrieren. Es gibt aber Kinder, die Unterstützung in Form einer gezielten Konzentrationsförderung benötigen. Konzentrationstrainings eignen sich insbesondere für Grundschüler mit Symptomen des Aufmerksamkeitsdefizit-Syndroms (ADHS) mit und ohne Hyperaktivität. Die dabei vermittelten Selbstinstruktionstechniken sind ein wirksames pädagogisch/psychologisches Mittel zur Steigerung von Konzentration, Aufmerksamkeit und Ausdauer. Ziel eines solchen Konzentrationstrainings ist es, dass das Kind Aufgaben zügiger und selbstständiger erledigt. Die Ablenkbarkeit wird geringer und das Kind erlernt eine systematischere Herangehensweise an Probleme.