Zum Inhalt springen

Das Konzept der Gouvernementalität

    Sozialwissenschaftliches Forschungskolloquium im Wintersemester 2007/8 an der jku
    Anknüpfend an die Themen zu „Governance in sozialen Systemen“ im SS 2007 wird sich das Sozialwissenschaftliche Forschungskolloqium im WS 2007/08 mit dem Begriff der „Gouvernementalität“ nach M. Foucault auseinandersetzen. Das Institut für Soziologie, Abt. für Theoretische Soziologie und Sozialanalysen, hat dazu drei Gastvorträge organisiert.
    Ein zentrales Thema der „Governmentality Studies“ ist Macht, wobei Macht hier allerdings weniger als Ressource konzipiert ist, mit der Handlungen anderer unmittelbar beeinflusst und gesteuert werden. Foucault definiert „Regieren“ als ein diskursives Feld, in dem die Ausübung von Macht in einer Verkoppelung und wechselseitigen Konstituierung von Techniken der Macht, Wissensformen und Prozessen der Subjektivierung rationalisiert wird (vgl. Lemke 2000): In diesem Feld werden Handlungen nicht direkt bestimmt oder unterbunden, sondern es werden Verhältnisse und Regeln arrangiert, in denen verschiedene Ziele nur mit ganz bestimmten Handlungen erreicht werden können. Zum Regieren gehört, so Foucault, immer auch die Herstellung einer spezifischen Rationalität, mit deren Hilfe andere zum Handeln bewegt werden. Damit behandeln Forschungen zur „Gouvernementalität“ immer auch die Frage nach der Konstituierung des Subjekts. Wie werden über Formen des Regierens Denkweisen und Logiken diskursiv bestimmt und in der Folge auch Selbstregierungsformen von Subjekte generiert?
    Beispielsweise wird im Zusammenhang mit der Analyse von neoliberalen Maßnahmen zur Restrukturierung des Sozialstaats darauf hingewiesen, dass es sich dabei weniger um einen Abbau des Staates als viel mehr um eine Transformation des Sozialstaates handle. Anstatt der Sorge um die Bürger übernehme der Staat nun die neue Aufgabe der Anleitung der Bürger: Mittels indirekter Interventionen werden Individuen geführt und/oder motiviert, um ehemals gesellschaftliche Risiken wie Krankheit, Armut, Arbeitslosigkeit in die Zuständigkeit von Subjekten und in das Problem der verantwortlichen Selbstsorge zu übertragen.
    Die „Governmentality Studies“ haben sich in den angelsächsischen Ländern seit den 1990er Jahren entwickelt und werden in deutschsprachigen Ländern, ähnlich wie der „Governance“ Begriff, erst seit kurzem rezipiert und weiter entwickelt. Ein zentrales Motiv der „Governmentality Studies“ ist die Kritik am Neoliberalismus. Die „Governmentality Studies“ analysieren ganz unterschiedliche Politikfelder, wie beispielsweise Sozial- und Wohlfahrtsstaaten, Erziehung und Bildung sowie Kriminalität in lokalen, nationalen und internationalen Kontexten.

    ReferentInnen für das Wintersemester 2007/08 sind eingeladen:

    Agnieszka Dzierzbicka, Universität Wien: Gouvernementalität. Das Problem der „Regierung“.
    Dienstag, 27. November 2007 von 10.15-11.45 Uhr im Raum: BA 9911
    In Überwachen und Strafen (1975) untersuchte Michel Foucault noch, wie ein bestimmter Machttyp über die Erziehung und Persönlichkeitsbildung, organisiert in einschließenden Institutionen, auf den Einzelnen wirkt. In späteren Interviews gibt Foucault jedoch an, bereits mit dieser Arbeit den Versuch unternommen zu haben, nicht nur die Geburt einer bestimmten Ideologie (der Disziplinarsysteme) aufzuzeigen, sondern wie damit auch die Entstehung einer „Regierungsform liberalen Typs“ einhergeht. Damit verließ er die disziplinierende, regelnde und normierende Gesellschaft und begab sich auf die Spur der Gouvernementalität.
    Ebenso wie die Gouvernementalität ist auch das moderne Bildungswesen seit geraumer Zeit bemerkenswerten Veränderungen ausgesetzt: Die Entlassung in die Autonomie ist nur eine der Chiffren, die die Reformen der letzten Jahrzehnte in der Bildungsverwaltung greifbar machte, aber eben nicht nur dort.

    Thomas Höhne, Universität Gießen: Evaluation zwischen Steuern und Regieren. Eine governance- und gouvernementalitätstheoretische Perspektive auf Evaluation im Bildungsbereich.
    Dienstag, 11. Dezember 2007 von 10.15-11.45 Uhr im Raum: Rep.Raum D, Uni Center
    In Deutschland lässt sich vor allem auf kommunaler Ebene, aber auch auf nationaler und Bundesebene vermehrt ein Zusammenspiel von staatlichen und privaten Akteuren im Bildungsbereich beobachten. In Netzwerken, die unscheinbar und von der breiten Öffentlichkeit kaum wahrgenommen agieren, entstehen neue Kooperationsformen, die an einer grundlegenden Umgestaltung des Bildungsbereichs mitwirken. Für den Schulbereich soll der Prozess der Netzwerkbildung und die damit verbundenen Effekte am Beispiel von Evaluation einmal unter den beiden Analyseperspektiven von Governance und Gouvernementalität analysiert werden. Konkret handelt es sich um den mittlerweile weitreichenden Einfluss der Bertelsmannstiftung im Schulsektor und das von ihr entwickelte Instrument SEIS (Selbstevaluation in Schulen), das weite Verbreitung gefunden hat. Zwei Ziele werden mit dem Vortrag verfolgt: Zum einen geht es um einen (kürzeren) Vergleich der Ansätze Governance und Gouvernementalität. Zum anderen soll verdeutlicht werden, in welcher Weise sich mit Evaluation nicht nur ein neues Steuerungsinstrument durchgesetzt hat – wie zumeist in der Wissenschaft dargestellt -, sondern sich auch eine neue Form des Regierens etabliert hat.

    Birgit Sauer, Universität Wien: Governance, Gouvernementalität und Geschlecht.
    Dienstag, 15. Januar 2008 von 10:15-11:45 Uhr im Raum: Rep.Raum D, Uni Center
    Eine Kernfrage des geschlechterkritischen Assessments politischen Wandels im globalen Maßstab ist die, ob mit der Transformation von Staatlichkeit eine Chance auf gerechtere Geschlechterarrangements besteht. Ist post-nationale Staatlichkeit auf internationaler Ebene eine Form der demokratischen und geschlechtersensiblen „Zivilisierung“ androzentrischer (National-)Staatlichkeit?
    Ziel des Beitrags ist es, den Geschlechtertext der Neuformatierung von Diskursen und Praxen, von Politiken in so genanten Governance-Strukturen, aber auch in neuartigen Subjektivierungsweisen im Zuge der Etablierung eines neo-liberalen Staat-Gesellschafts-Verhältnisses herauszuarbeiten. Die These meiner Ausführungen ist, dass der neoliberale Staats- und Subjektivierungsdiskurs – gefasst unter den Begriffen „Governance“ und „Gouvernementalität“ – in eine herrschaftsförmige Restrukturierung des Politischen eingebunden ist. Neoliberalismus ist die „Transformation von Freiheit in Herrschaft“ (Segal 2006: 324) – auch von Geschlechterherrschaft, selbst wenn dieser Transformationsprozess ungleichzeitig, paradoxal und geschlechterwidersprüchlich verläuft.






    Schreibe einen Kommentar

    Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert