Menschliches und tierisches Verhalten ist sehr formbar und passt sich erfolgreich an interne und externe Anforderungen an, doch steht das in manchen Untersuchungen in auffälligem Kontrast zur offensichtlichen Instabilität bzw. Variabilität der neuronalen Aktivität, aus der dieses Verhalte dann hervorgeht. Bisher wurde angenommen, dass dieses scheinbare Rauschen auf zufällige natürliche Schwankungen oder auch Messfehler zurückzuführen ist, doch nun haben Waschke et al.(2021) gezeigt, dass diese neuronale Variabilität wichtig ist, um den Zusammenhang von Gehirnaktivität und Verhalten besser verstehen zu können, denn anscheinend entsteht das Verhalten erst aufgrund von neuronaler Variabilität und nicht trotz dieser. Kloosterman et al. (2020) haben einen direkten Zusammenhang zwischen neuronaler Variabilität und Verhalten gezeigt, wofür die Gehirnaktivität von StudienteilnehmerInnen per Elektroenzephalogramm gemessen wurde, während sie undeutliche visuelle Muster auf einem Bildschirm erkennen mussten. Wenn die TeilnehmerInnen aufgefordert wurden, so viele Muster wie möglich zu erkennen, stieg die neuronale Variabilität im Allgemeinen an, wohingegen sie herunterreguliert wurde, wenn TeilnehmerInnen aufgefordert wurden, Fehler zu vermeiden. Menschen, die eher in der Lage waren, ihre neuronale Variabilität an diese Aufgabenanforderungen anzupassen, erbrachten dabei auch bessere Leistungen. Offenbar kann eine gute Kontrolle dieses neuronalen Rauschens dazu führen, eine unbekannte Informationen besser zu verarbeiten und besser auf diese zu reagieren. Die Bedeutung der neuronalen Variabilität für erfolgreiches menschliches Verhalten wurde auch in Bezug auf die Verarbeitung von Gesichtern, das Merken von Objekten und das Lösen von komplexen Aufgaben gezeigt. Offensichtlich scheint die Fähigkeit, neuronale Variabilität von einem Moment zum anderen regulieren zu können, für optimale kognitive Leistungen erforderlich zu sein.
Literatur
Kloosterman, N. A., Kosciessa, J. Q., Lindenberger, U., Fahrenfort, J. J., & Garrett, D. D. (2020). Boosts in brain signal variability track liberal shifts in decision bias. eLife, 9, doi:10.7554/eLife.54201.
Waschke, L., Kloosterman, N., Obleser, J., & Garrett, D. D. (2021). Behavior needs neural variability. Neuron, doi: 10.1016/j.neuron.2021.01.023.