Schlaf wurde lange Zeit als ein Zustand angesehen, in dem das Verhalten von der Umwelt völlig abgekoppelt ist und keine Reaktion auf äußere Reize erfolgt. Türker et al. (2023) stellten dieses Dogma der Schlafunterbrechung in Frage, indem sie die Verhaltensreaktivität von 49 Probanden (27 mit Narkolepsie und 22 gesunde Probanden) direkt untersuchten, die an einer lexikalischen Entscheidungsaufgabe teilnahmen. Die schlafenden Probanden sollten auf Wörter reagieren, die ihnen von einer menschlichen Stimme vorgelesen wurden, indem sie bei realen Wörtern wie Pizza dreimal die Stirn runzelten und bei erfundenen Wörtern wie Dizta dreimal lächelten.
In den meisten Schlafstadien beider Gruppen (mit Ausnahme des Slow-Wave-Schlafs bei den Gesunden) zeigten sich entsprechende Verhaltensreaktionen, die durch Kontraktionen des Corrugator- oder Zygomaticus-Muskels sichtbar wurden. In allen Schlafstadien traten die Reaktionen häufiger auf, wenn die Stimuli während hoher kognitiver Aktivität präsentiert wurden. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass es auch bei gesunden Menschen während des Schlafes temporäre Reaktionsfenster auf äußere Reize gibt. Offenbar ist auch der Schlaf ein aktiver Zustand, in dem Menschen die Welt bewusst wahrnehmen und körperlich darauf reagieren können, und dies scheint für alle Schlafphasen zu gelten, nicht nur für die Einschlafphase oder den REM-Schlaf, wie frühere Experimente zum Lernen im Schlaf nahe legten.
Literatur
Türker, Başak, Musat, Esteban Munoz, Chabani, Emma, Fonteix-Galet, Alexandrine, Maranci, Jean-Baptiste, Wattiez, Nicolas, Pouget, Pierre, Sitt, Jacobo, Naccache, Lionel, Arnulf, Isabelle & Oudiette, Delphine (2023). Behavioral and brain responses to verbal stimuli reveal transient periods of cognitive integration of the external world during sleep. Nature Neuroscience, doi:10.1038/s41593-023-01449-7.