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Digitale Resonanz: Wie Technologie und Zuneigung das psychische Wohlbefinden stärken können

    In einer Welt, in der psychisches Wohlbefinden immer stärker in den Fokus rückt, widmet sich die Psychologin Zita Oravecz einer besonderen Schnittstelle zwischen Emotion, Alltagsverhalten und digitaler Technologie. Ihre Forschung zeigt, wie kleine Gesten der Zuneigung nicht nur den Empfänger, sondern auch den Sender emotional stärken können – und wie diese Erkenntnis mithilfe moderner Datenanalyse in technische Lösungen für das alltägliche Leben überführt werden kann.

    In einer Feldstudie untersuchten Oravecz et al. (2022) , wie sich liebevolles Verhalten auf das eigene Gefühl, geliebt zu werden, auswirkt. Über einen Zeitraum von vier Wochen erhielten 52 Teilnehmerinnen und Teilnehmer mehrmals täglich Nachrichten auf ihr Smartphone, die sie aufforderten, ihre aktuellen Emotionen und ihr Ausdrucksverhalten von Zuneigung zu dokumentieren. Die Ergebnisse zeigten eine bemerkenswerte Dynamik: Zeigten die Personen häufiger Zuneigung – etwa durch kleine Gesten, Worte oder Handlungen –, fühlten sie sich anschließend selbst verstärkt geliebt. Besonders auffällig war ein Anstieg dieses Gefühls etwa drei Stunden nach einer Zuneigungsbekundung, mit einem positiven Effekt, der über acht Stunden anhielt. Dieses Phänomen wird in der Psychologie als positive Resonanz bezeichnet – ein sich selbst verstärkender Prozess von Geben und Fühlen.

    Interessanterweise zeigte sich der umgekehrte Zusammenhang nicht: Wer sich selbst geliebt fühlte, zeigte nicht notwendigerweise mehr Zuneigung gegenüber anderen – im Gegenteil. Die Forschenden vermuten, dass in solchen Momenten der emotionale Fokus stärker auf das eigene Erleben gerichtet ist. Zwar bleibt ein kausaler Zusammenhang in dieser Studie offen, doch die Tendenz ist deutlich: Zuneigung zu zeigen ist ein wirksames Mittel zur eigenen emotionalen Stärkung.

    Diese psychologischen Einsichten bilden die Grundlage eines technisch innovativen Projekts, das Oravecz parallel entwickelt: eine App, die das emotionale Wohlbefinden ihrer Nutzer in Echtzeit unterstützen soll (Oravecz, 2017). Mithilfe von Daten aus Smartphones und tragbaren Sensoren – etwa zu Bewegung, Herzfrequenz oder Hauttemperatur – wird ein individuelles psychologisches Profil erstellt. Dieses Profil soll es der App ermöglichen, passende Interventionen vorzuschlagen: kleine Atempausen, positive Affirmationen oder die Erinnerung, jemandem ein Kompliment zu machen. Die Idee dahinter: Wer aktiv Positives in die Welt trägt, stärkt nicht nur andere, sondern auch sich selbst.

    Die Herausforderung liegt dabei in der Modellierung der emotionalen Dynamik, die von Mensch zu Mensch sehr unterschiedlich verläuft. Manche Menschen beruhigen sich schnell, andere tragen ihre Anspannung länger mit sich. Um diesen individuellen Mustern gerecht zu werden, entwickelte Oravecz ein mathematisches Modell, das auf komplexen Algorithmen basiert und mit Unterstützung von Hochleistungsrechnern der Institute for CyberScience an der Pennsylvania State University trainiert wurde. Ziel ist eine Vorhersage in Echtzeit – etwa zur rechtzeitigen Stressprävention oder zur Förderung spontaner Akte der Freundlichkeit im Alltag.

    Langfristig verfolgt Oravecz mit ihrer Arbeit eine doppelte Vision: Einerseits möchte sie Technologien schaffen, die Menschen nicht nur informieren, sondern aktiv zum Wohlfühlen und Handeln motivieren. Andererseits setzt sie sich dafür ein, dass positive psychologische Ansätze – also nicht nur das Heilen von Defiziten, sondern das Fördern von Stärke und Verbundenheit – stärker in Forschung und Gesellschaft etabliert werden. Ihre eigene Motivation wurzelt in einer tiefen Empathie: Schon als Jugendliche fiel ihr auf, wie viele Menschen scheinbar grundlos unglücklich sind – eine Beobachtung, die sie zum Studium der Psychologie brachte. Dass sie dabei ihre Leidenschaft für Statistik und Programmierung integrieren konnte, zeigt eindrücklich, wie interdisziplinär moderne Wissenschaft positive gesellschaftliche Wirkung entfalten kann.

    Literatur

    Oravecz, Z., Shiffman, S., & Smyth, J. M. (2022). Dynamic Associations Between Expressions of Affection and Feeling Loved: A Real-Time Study Using Ecological Momentary Assessment. PLOS ONE, doi:10.1371/journal.pone.0277228
    Oravecz, Z. (2017, October 5). Cultivating Kindness through Computation. Institute for Computational and Data Sciences. https://www.icds.psu.edu/featured-research/cultivating-kindness-through-computation/






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