Kinder sind in der Tat Meister darin, uns Eltern an unsere Grenzen zu bringen. Manchmal fragen wir uns, ob hinter ihrem Verhalten ein ausgefuchster Plan steckt, um ihren Willen durchzusetzen. Kinder unter sechs Jahren sind aber in der Regel weder böswillig noch notorische Lügner. Die Erklärung dafür liegt in der Entwicklung ihres Gehirns. Bis zu einem Alter von etwa sechs Jahren können Kinder noch nicht bewusst lügen. Sie sind noch nicht in der Lage, sich in andere Menschen hineinzuversetzen und zu verstehen, dass andere möglicherweise etwas anderes wissen oder sehen als sie selbst. Stattdessen gehen sie fest davon aus, dass alle anderen genauso wahrnehmen und denken wie sie selbst. Das erklärt auch, warum Kinder in den ersten Lebensjahren so frustrierend auf Versteckspielen reagieren können. Wenn Mama oder Papa plötzlich verschwunden sind, glauben die Kleinen oft, dass ihre Eltern sie einfach nicht mehr sehen können, obwohl sie selbst genau wissen, wo die Erwachsenen sich versteckt haben. Ebenso ist es mit dem Weinen, wenn Eltern den Raum verlassen: für Babys ist es, als würden Mama und Papa komplett aus ihrer Welt verschwinden. Schritt für Schritt lernen Kinder im Laufe ihrer Entwicklung, dass andere Menschen eigene Gedanken und Wahrnehmungen haben, die von den ihren abweichen können. Erst wenn diese „Theory of Mind“ ausgebildet ist, werden sie in der Lage sein, bewusst zu lügen, um ihre Ziele zu erreichen. Bis es so weit ist, müssen wir Eltern Geduld und Verständnis aufbringen.