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Es eilt die Zeit im Sauseschritt … wie man das Zeiterleben verlangsamen kann

    Die Ansichten und Theorien über das Zeiterleben liegen weit auseinander, wobei eine Schwierigkeit darin besteht, dass es für die Zeit kein eigenes Organ gibt und sie sehr subjektiv erlebt wird. Im Gehirn gibt es zwar eigene Areale für das Sehen, Hören und Riechen, aber nicht für die Zeit, weshalb man vermuten kann, dass Menschen die Zeit über ihr Körperbewusstsein wahrnehmen, denn viele Körpersignale werden im insularen Cortex im Gehirn aufgefangen, und dieser Bereich ist aktiv bei der Zeitwahrnehmung, d. h., das Selbsterlebnis generiert demnach auch das Zeiterlebnis.

    Die Wahrnehmung von Zeit ist nicht nur von Mensch zu Mensch sondern beim selben Menschen in verschiedenen Situationen äußerst unterschiedlich, wobei das eigene Empfinden, d. h., wie man eine bestimmte Zeitspanne verbracht hat, offenbar einen Unterschied im Erleben ausmacht. Vor allem die Zahl von Eindrücken und Empfindungen, die das menschliche Gehirn verarbeitet, ist ausschlaggebend dafür, wie schnell die Zeit nach dem eigenen Empfinden vergeht. Während für Kinder, die viel Neues zu verarbeiten haben, die Zeit sehr langsam fließt, scheint sie für den Erwachsenen wie im Fluge zu vergehen. Dabei sind es vor allem die vielen Routinen und Gewohnheiten im Alltag, die dafür sorgen, dass diese Zeiten im Rückblick sehr umbedeutsam erscheinen und daher sehr kurz vorkommen.

    Es gibt allerdings einige Möglichkeiten, die eigene Zeit subjektiv zu verlangsamen, unter anderem dadurch, dass man aktiv die Zeit des eigenen Lebens nutzt und diese möglichst aktiv und mit Emotionen verbunden verbringt. Dabei geht es jedoch nicht darum, in einen Tag möglichst viel hinein zu packen, sondern diese mit etwas sinnvollem Neuen zu verbinden. Für viele interessant ist es wohl, eine neue Sprache, ein einfaches Handwerk, ein Instrument oder eine künstlerische Tätigkeit zu lernen. Es entstehen dabei neue Verbindungen zwischen den Neuronen im Gehirn, die insgesamt aktiver und kreativer machen können. Zwar vergeht bei diesem Flow oft die Zeit gefühlt sehr schnell, doch im Rückblick erscheint sie gut genutzt und durchbricht die gewohnten Routinen, die das Zeiterleben oft so unwichtig und daher nutzlos machen. Man muss nicht gleich große Reisen machen, oft genügt es auch, vor Ort neue Restaurants oder Plätze zu entdecken. Vor allem wenn man in einer Stadt lebt, gibt es viele Gegenden, in denen man noch nie war. So kann man frische, neue Eindrücke durch das Entdecken von Orten und damit verbunden auch das Erleben von Menschen gewinnen.


    Historisches

    Die menschliche Wahrnehmung von Zeit ist vielfältig und tief in kulturellen und religiösen Vorstellungen verwurzelt, denn während westliche Gesellschaften oft ein lineares Zeitverständnis pflegen, das auf Fortschritt und Effizienz ausgerichtet ist, existieren auch zyklische und „zeitlose“ Konzepte. Zyklische Zeitvorstellungen, wie sie in hinduistischen Traditionen oder der Maya-Kultur zu finden sind, betonen den Kreislauf von Werden, Vergehen und Wiederkehr. Diese Vorstellungen sind häufig mit dem Glauben an Reinkarnation verbunden und können zu einer gelasseneren Haltung gegenüber dem Leben führen. Im Gegensatz dazu steht die „zeitlose“ Wahrnehmung, wie sie bei den indigenen Völkern Australiens in der „Traumzeit“ existiert. Hier verschmelzen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zu einer Einheit, was zu einem tiefen Respekt vor der Natur und einem Bewusstsein für die Verbundenheit mit den Ahnen führt.

    Diese unterschiedlichen Zeitvorstellungen beeinflussen maßgeblich, wie Menschen die Welt wahrnehmen und sich in ihr verhalten, denn ein  lineares Zeitverständnis fördert technologischen Fortschritt und wirtschaftliches Wachstum, kann aber auch zu Zeitdruck und Stress führen. Zyklische Vorstellungen fördern hingegen Gelassenheit und ein Bewusstsein für die natürlichen Zyklen, während die „zeitlose“ Wahrnehmung zu einem nachhaltigen Lebensstil und einem tiefen Respekt vor der Natur führt.

    In der  globalisierten Welt existieren diese unterschiedlichen Zeitvorstellungen parallel, was zu interkulturellen Missverständnissen führen kann. Die westliche Betonung von Pünktlichkeit kann beispielsweise in anderen Kulturen als unhöflich oder aufdringlich wahrgenommen werden. Es ist daher wichtig, sich der Vielfalt der Zeitvorstellungen bewusst zu sein und ein offenes und respektvolles Miteinander zu pflegen. Psychologisch betrachtet, ist die individuelle Zeitwahrnehmung von Faktoren wie Emotionen, Aktivitäten und kulturellem Hintergrund beeinflusst.

    Die Idee, dass die Zeit eine eigenständige Existenz hat, geht vor allen Dingen auf Platon zurück. Doch wurde diese Idee, die in verwandelter Form auch bei Isaac Newton auftaucht, der von einem absoluten Raum und einer absoluten Zeit sprach, von Einstein widerlegt. Dieser zeigte, dass die Zeiten, die verschiedene Beobachter auf ihren Uhren ablesen, von ihren relativen Bewegungszuständen abhängen, wobei deren Messungen aber alle gleich gültig sind, d. h., nur eine davon hervorzuheben und für absolut zu erklären, ist deshalb im Lichte der Relativitätstheorie ein Akt von Menschen gemachter Willkür.






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