Forschungsrating dient in erster Linie dazu, zunächst einen Mangel an Informationen einzugestehen, dem ein solches Rating abhelfen soll, wobei natürlich ungeklärt bleibt, ob ein Mehr an Informationen wirklich Einfluss auf Entscheidungsprozesse haben kann. Der Verweis auf den Wunsch aus Politik und Hochschulleitungen nach Ratings und Rankings ist nachvollziehbar, reicht jedoch als Begründung kaum. Soll mit einem Rating Einfluss auf Entscheidungen ausgeübt werden, dann muss es aktuell sein, wobei darin schon eine Art performativer Widerspruch besteht, denn ist das Rating gut, ist es nicht aktuell, ist es aktuell, ist es nicht gut. Es gibt daher den begründeten Verdacht, dass hier ein der Universität ganz fremdes System der In- und Output-Steuerung eben auch durch Ratings im Hintergrund steht, was letztlich nur „strategisches Verhalten“ fördert, denn jeder schaut dann nur noch auf die Parameter und deren möglichst gute Erfüllung. Vor allem die Geisteswissenschaften sind keine über quantitative Parameter steuerbare Organisationen, wie das Unternehmen sind, in denen In- und Output-Analysen, Kostenstellen und Markterfolg monetär messbar und zumindest in begrenzter Hinsicht auch steuerbar sind. Es ist eine nicht ganz ungefährliche Illusion, Wissenschaft lasse sich steuern oder zielgerichtet beeinflussen. Politik setzt die Rahmenbedingungen, das ist ihr gutes Recht. Aber die Vorstellung, in dem gegebenen Rahmen ließe sich geisteswissenschaftliche Exzellenz durch Anreizsetzung erzeugen oder verstärken, führt nur dazu, dass sich die Akteure an den Hochschulen, die ja von öffentlichen Geldern und Drittmittelgebern abhängen, dann strategisch verhalten: Man tut das, wofür man boniert wird. Das hat mit akademischer Kultur dann nicht mehr viel zu tun. Universitäten waren und sind immer schon sich permanent selbstevaluierend Institutionen gewesen, was mit ihren Berufungsverfahren, ihrem Rezensionssystem, ihren bewerteten Zeitschriften, ihren Kongressen usw. gewährleistet was. Parametrisierte Informationen in Form von abc-Ratings oder Tabellen, aus denen sich auch für wissenschaftsferne Menschen eine Art Information auf den ersten Blick ergibt, die man verstehen kann, ohne größere Texte lesen und sich mit den Fragen länger beschäftigen zu müssen, sind aber für Geisteswissenschaften Unsinn, denn dort geht es nicht um Umsätze oder Punktestände.
Siehe hierzu auch Die Evaluation universitärer Lehrveranstaltungen
Quelle:
Ratings fördern das strategische Verhalten. Fragen an den Deutschen Historikerverband. Interview mit Werner Plumpe.
WWW: http://www.forschung-und-lehre.de/cms/index.php?menu_id=6&nur_dieser_inhalt_id=3456 (09-08-11)