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Genetische Grundlagen des Hüteverhaltens bei Hunden

    Hütehunde wie Border Collies und Deutsche Schäferhunde faszinieren durch ihre ausgeprägten kognitiven Fähigkeiten, ihr soziales Verhalten und ihre besondere Eignung für die Arbeit mit Nutztieren. Ihre Fähigkeit, menschliche Kommandos zu verstehen, Bewegungsmuster von Tieren zu deuten und gezielt auf sie zu reagieren, ist kein Zufall – vielmehr scheinen spezifische genetische Anpassungen hinter diesen Eigenschaften zu stehen. Die Domestikation des Hundes begann vor Tausenden von Jahren, und seither hat der Mensch über 350 verschiedene Rassen gezüchtet – je nach Zweck mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Während Jagdhunde, Wachhunde und Gesellschaftshunde jeweils eigene Eigenschaften aufweisen, zeichnen sich Hütehunde insbesondere durch Intelligenz, Impulskontrolle, Aufmerksamkeit und soziale Sensibilität aus. Für ihre Rolle als Helfer in der Tierhaltung mussten sie nicht nur instinktive Fähigkeiten bewahren – wie das Ducken und das Beuteverfolgungsverhalten –, sondern auch auf andere Triebe, etwa den Tötungsimpuls, verzichten. Diese feine Balance aus erhaltenem und gezügeltem Instinkt könnte genetisch tief verankert sein. Eine aktuelle genetische Studie von Jeong, Ostrander & Kim (2025) beleuchtet nun erstmals umfassend die molekularen Grundlagen dieses bemerkenswerten Verhaltensprofils, indem man das Erbgut von zwölf Hütehundrassen analysierte und  es mit dem anderer Hunderassenverglich. Dabei identifizierte man acht Gene, die bei Hütehunden auffällig oft in einer bestimmten Form vorkommen. Besonders interessant ist das Gen EPHB1, das für einen sogenannten Ephrinrezeptor codiert, welcher unter anderem das räumliche Gedächtnis, das Wachstum von Nervenzellen und das Spielverhalten beeinflusst. Hunde mit spezifischen Varianten dieses Gens zeigen eine erhöhte Neigung zu objektbezogenem Spielverhalten – ein Indikator für eine Art von „ersetztem Jagdverhalten“, das sich in Greifen, Beißen und Verfolgen von Objekten manifestiert und im Kontext des Hüteverhaltens funktional ist.

    Die genetischen Unterschiede sind dabei nicht nur zwischen Hütehunden und anderen Rassen, sondern auch innerhalb der Hütehundrassen selbst erkennbar. So sind die speziellen Genvarianten bei Arbeitslinien – also Zuchtlinien, die auf Leistung und Verhalten statt auf äußere Merkmale selektiert werden – signifikant häufiger vertreten. Ein Beispiel ist der Border Collie: In der Arbeitslinie besaßen 84 Prozent der Hunde die hütehundtypische Variante eines bestimmten Gens, während es in der Showlinie nur 22 Prozent waren. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Genetik maßgeblich an der Entstehung der für Hütehunde typischen Verhaltensweisen beteiligt ist. Besonders Gene, die mit Gedächtnis, motorischem Lernen und sozialer Interaktion verknüpft sind, scheinen durch Selektion verändert worden zu sein, um die komplexen Anforderungen des Hüteverhaltens zu erfüllen. Allerdings bedarf es weiterer Forschung, um die genauen funktionellen Zusammenhänge zu verstehen und die gefundenen Zusammenhänge in größeren Populationen zu validieren.

    Literatur

    Jeong, H., Ostrander, E. A., & Kim, J. (2025). Genomic evidence for behavioral adaptation of herding dogs. Science Advances, 11(18), doi:10.1126/sciadv.adp4591

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