PsychologInnen der Uni Bonn verglichen die Rechtschreibleistungen von über dreitausend Grundschulkindern, die mit drei unterschiedlichen Methoden das Schreiben erlernt haben. Der systematische Fibelansatz führt schrittweise einzelne Buchstaben und Wörter ein, wobei gesprochene Wörter unter Anleitung in Einzellaute zerlegt und jeder Laut einem Buchstaben zugeordnet werden. Fibeln sind so aufgebaut, dass die Kinder die Schriftsprache in einem fest vorgegebenen, strukturierten Ablauf vom Einfachen zum Komplexen erlernen und einen schriftsprachlichen Grundwortschatz aufbauen, wobei Hilfestellungen und Korrekturen durch die Lehrperson dazu gehören. Beim Ansatz Lesen durch Schreiben werden Kinder angehalten, möglichst viel frei zu schreiben, wobei das Lesen über das Schreiben mitgelernt werden soll und Korrekturen falsch geschriebener Wörter unterbleiben, da so die Schreibmotivation der Kinder beeinträchtigt würde. Auch die Rechtschreibwerkstatt gibt den Schülern keine feste Abfolge einzelner Lernschritte vor, sondern stellt lediglich Materialien zur Verfügung, die die Kinder selbstständig in individueller Reihenfolge und ohne zeitliche Vorgaben bearbeiten.
In der Studie prüfte man die Erstklässler kurz nach der Einschulung auf ihre Vorkenntnisse und nachfolgend an fünf weiteren Terminen bis zum Ende des dritten Schuljahres mit der Hamburger Schreib-Probe, die als Standardverfahren die Rechtschreibleistungen von Schülern in Form eines Diktats erfasst. Die Fibelgruppe hat sich dabei gegenüber den beiden anderen Didaktikgruppen als überlegen erwiesen, denn zu allen fünf Messzeitpunkten haben die Fibelkinder bessere Rechtschreibleistungen erbracht. So machten Kinder, die mit Lesen durch Schreiben unterrichtet wurden, am Ende der vierten Klasse im Schnitt 55 Prozent mehr Rechtschreibfehler als Fibelkinder, in der Rechtschreibwerkstatt unterliefen den Schülern sogar 105 Prozent mehr Rechtschreibfehler als Fibelkindern. Diese Studienergebnisse weisen klar darauf hin, dass alle Kinder gleichermaßen vom Einsatz einer Fibel im Unterricht profitieren, wobei sich die Überlegenheit des Fibelansatzes sowohl bei Kindern mit deutscher Muttersprache als auch mit anderen früh erlernten Sprachen zeigte.
Anmerkung: Lesen durch Schreiben ist ein Konzept des Schweizer Reformpädagogen Jürgen Reichen (1939-2009) aus den 1980er Jahren, bei dem ABC-Schützen anfangs nach Gehör schreiben, ohne von Lehrern oder Eltern korrigiert zu werden. Wie man aus der Praxis aber weiß, wird diese Methode aber nie 100-prozentig umgesetzt, d.h., die ärgsten Fehler werden in der Regel korrigiert beziehungsweise es wird auf diese ergänzend hingewiesen.
Kuhl, T. & Röhr-Sendlmeier, U. M. (2018). Der Verlauf des Rechtschreib-Lernens – drei Didaktiken und ihre Auswirkungen auf Orthographie und Motivation in der Grundschule. Vortrag und Posterpräsentation auf dem 4. Dortmunder Symposium der Empirischen Bildungsforschung (TU Dortmund), 04.-05. Juli 2018.
Tipp: Lernen mit Lernpostern & Vokabelpostern: http://lernposter.lerntipp.at/