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Können Menschen ihrem eigenen Gedächtnis vertrauen?

    *** Hier KLICKEN: Das BUCH dazu! *** Das menschliche Gedächtnis neigt dazu, den Besitzern Streiche zu spielen, d. h., sie vergessen wichtige Dinge, reden Vergangenes schön, und manchmal mischen sich Erinnerungen mit bloßen Vorstellungen. Dabei ist zu beachten, dass Erinnern mit Aufmerksamkeit zu tun hat, denn nur dann, wenn Menschen eine Information oder ein Erlebnis wichtig genug finden, speichern sie es in ihrem Gedächtnis ab. Erinnerungen werden überall und in unterschiedliche Bereichen, also neuronale Netzwerken, gespeichert. Erinnerungen sind multisensorisch, das bedeutet, sie sprechen verschiedene Sinne an, also Riechen, Sehen, Hören, Schmecken und Tasten. Wenn Menschen auf eine Erinnerung zurückgreifen möchten, schicken sie eine Art Suchsignal an das Gehirn und wenn alles gut geht, wird man mit den für diese Erinnerung zuständigen Netzwerken verbunden. So ist das Gehirn von Babys und Kleinkindern zu klein, um solche Eindrücke nachhaltig zu speichern, wobei hinzu kommt, dass Babys nicht selektiv wahrnehmen, d. h., alles strömt ungefiltert auf sie ein und in ihrem Kopf ist ein großes Durcheinander. Erst etwas ältere Kinder, etwa ab dem dritten Lebensjahr, können priorisieren, also etwas als für sie wichtig wahrnehmen und dann zu Erinnerungen verarbeiten, die auch im Erwachsenenleben noch abrufbar sind. Das betrifft vor allem das autobiografisches Gedächtnis, das für die individuellen Erlebnisse zuständig ist. Es gibt Menschen, die berichten, sie könnten sich an ihre Geburt erinnern, was aber unmöglich ist, denn hier ist entweder Fantasie im Spiel oder die Erinnerung beruht auf einer Quellenverwechslung, das heißt, jemand aus der Familie erzählt detailliert von einem Ereignis aus der Kindheit und man speichert das ab, fantasiert unter Umständen noch ein paar Details hinzu, und schließlich ist man irgendwann auch davon überzeugt, dass man es mit unserer eigenen Erinnerung zu tun hat, denn das menschliche Gedächtnis ist sehr gut darin, die Menschen zu täuschen. Im Gehirn sind dieselben neuronalen Netzwerke, in denen Erinnerungen abgespeichert werden, auch für die Fantasie zuständig, wodurch leicht Vermengungen zwischen den Bereichen entstehen und man kann echte Erinnerungen und Vorstellungen oft nicht unterscheiden. Dabei können falsche Erinnerungen das Selbstbild der Menschen genauso beeinflussen wie die echten, erlebten. Wenn man genauer wissen will, mit welcher Wahrscheinlichkeit eine Erinnerung echt ist oder nicht, muss man nachforschen, wie es zu dieser Erinnerung gekommen ist. Waren dabei andere Menschen involviert? Haben vielleicht Erzählungen anderer die Erinnerung verändert und bestimmte Vorstellungen eingepflanzt?

    Übrigens sind spontane Erinnerungen, etwa an einen erlebten Unfall, meist verlässlicher als eine Erinnerung, die in einem sozialen Kontext entstanden ist. Eine Erinnerung, die in sozialem Kontext entstanden ist, ist weniger verlässlich, da durch die Erinnerungen der anderen ein gewisser Druck entsteht, sich zu erinnern, wobei z. B. Fotos, die gezeigt werden, diesen Effekt noch verstärken können und am Ende glaubt man dann tatsächlich, sich doch wieder an dieses Ereignis genau zu erinnern. Hierbei handelt es sich nicht nur um eine Quellenverwechslung, sondern es kommt ein manipulatives Element hinzu, d. h., die Erinnerung ist sozu­sagen gekapert worden, wobei das meist gar nicht in böser Absicht geschieht. Menschen haben keine Kontrolle über ihre Erinnerungen, auch nicht über die, die andere in sie einpflanzen, d. h., diese können sich im Laufe der Zeit selbstständig machen, sich verändern oder in eine unerwartete Richtung entwickeln, indem man eigene Details hinzufügt.

    Menschen sollten aus diesem Wissen aber nicht den Schluss ziehen, dass sie sich wenig auf ihr Gedächtnis verlassen können, doch ist es gut zu wissen, dass Erinnerungen fehlerhaft sein können, denn dann kann man darauf reagieren. Das kann auch helfen, in bestimmten Situationen gelassener zu sein, wenn etwa bei einem Streit mit dem Partner sich beide an unterschiedliche Versionen einer Geschichte erinnern. Wer lernt, dem eigenen Gedächtnis zu misstrauen, wird vorsichtiger gegenüber dem anderen, bestenfalls sogar toleranter.


    Zusammengefasst nach einem Interview von Franziska Wolffheim mit der Psychologin Julia Shaw in der Zeitschrift BRIGITTE: https://www.brigitte.de/liebe/persoenlichkeit/wie-funktioniert-erinnerung–11721188.html (20-04-12)






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