Die bisherige moralpsychologische Forschung zeigt, dass Bildungseinrichtungen einen entscheidenden Einfluss auf die Entwicklung der moralischen Orientierung und Kompetenz haben. In einer quantitativen Untersuchung hat Akin (2018) der Einfluss der frühkindlichen Erziehungserfahrungen auf die moralischen Fähigkeiten erforscht. Da die Moralerziehung von Kindern häufig mit religiösen Normen und Werten verbunden wird, und Religionen aktuell in ihrer Bedeutung und Funktionalität im öffentlichen Diskurs stehen, wurde speziell die religiöse Moralerziehung in ihrer Wirkung auf die moralische Entwicklung empirisch untersucht. Dazu wurden Studierende verschiedener Fachrichtungen aus Berlin zur religiösen Prägung in ihrer frühkindlichen Erziehung befragt und in Bezug auf ihre moralische Orientierung und Kompetenz untersucht. Den messmethodischen Rahmen bilden der Moralische-Kompetenz-Test nach Lind und der selbstkonstruierte Fragebogen zur Erfassung der religiösen Erziehung und Religiosität. Die Auswertung der Online-Studie zeigte, dass die moralischen Fähigkeiten bei dogmatisch religiös erzogenen Studierenden signifikant vermindert ausfallen und dabei nicht auf unterschiedliche Bildungserfahrungen oder das gegenwärtige Beibehalten der Religiosität zurückzuführen sind.
Psychologen fanden übrigens bei der Auswertung von Ausleihdaten einer Universitätsbibliothek heraus, dass religiöse Buchtitel häufiger zu spät zurückgegeben wurden als weltliche Werke. Man vermutet daher, dass religiöse Menschen von anderen mitunter das Einhalten moralischer Prinzipien erwarten, die sie selbst nicht befolgen.
Literatur
Akin, Asli (2018). Religiöse Erziehung und Moralentwicklung. Der Einfluss einer religiös geprägten Kindheit auf die moralische Orientierung und Kompetenz. Bachelorarbeit in Psychologie. Hochschule für Gesundheit und Medizin, Berlin.