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Sigetik

    Ich habe schon oft bereut, gesprochen, aber noch nie, geschwiegen zu haben.
    Xenokrates von Chalkedon

    Sigetik ist im Ursprung ein philosophischer Terminus, der als Lehre vom Schweigen übersetzbar ist. Der Ausdruck wird auch im Kontext von Traditionen der Mystik oder negativen Theologie verwendet, bezieht sich meist aber auf die Verwendung durch Heidegger. Bei diesem bezeichnet die »Erschweigung« eine Form des Sprechens, das der Tatsache Rechnung trägt, dass das Sein als Ereignis nie unmittelbar gesagt werden kann. Der Begriff »Erschweigen« findet sich übrigens auch in Paul Celans Gedicht »Argumentum e Silentio« aus der Sammlung »Von Schwelle zu Schwelle«.

    Am besten ist Sigetik im Sinne Wittgensteins zu verstehen, der im letzten Abschnitt des Tractatus schrieb: „Wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen.“ Womit aber nicht gemeint ist, dass bestimmte Wahrheiten besser unerwähnt bleiben, sondern dass das, was Sprechen oder Denken ermöglicht, nicht dessen Gegenstand sein kann, wodurch philosophische Rede prinzipiell fraglich ist.

    In der antiken Rhetorik war das Schweigen wichtig, bzw. war als „ars tacendi“ (Kunst des Schweigens) ein wesentlicher Aspekt der „ars bene dicendi“ (Kunst des guten Redens) und stand der „ars loquendi“ (Rhetorik, Kunst des Sprechens) gegenüber. Dabei ist Rhetorik sowohl als Praxis (d.h. als Erstellung und Halten von Reden) als auch als Theorie dieser Praxis zu verstehen, wobei beides meist Hand in Hand geht.


    *** Hier KLICKEN: Das BUCH dazu! *** Paul Celan: Argumentum e Silentio

    An die Kette gelegt
    zwischen Gold und Vergessen:
    die Nacht.
    Beide griffen nach ihr.
    Beide ließ sie gewähren.

    Lege,
    lege auch du jetzt dorthin, was herauf-
    dämmern will neben den Tagen:
    das sternüberflogene Wort,
    das meerübergossne.

    Jedem das Wort.
    Jedem das Wort, das ihm sang,
    als die Meute ihn hinterrücks anfiel –
    Jedem das Wort, das ihm sang und erstarrte.

    Ihr, der Nacht,
    das sternüberflogne, das meerübergossne,
    ihr das erschwiegne,
    dem das Blut nicht gerann, als der Giftzahn
    die Silben durchstiess.

    Ihr das erschwiegene Wort.

    Wider die andern, die bald,
    die umhurt von den Schinderohren,
    auch Zeit und Zeiten erklimmen,
    zeugt es zuletzt,
    zuletzt, wenn nur Ketten erklingen,
    zeugt es von ihr, die dort liegt
    zwischen Gold und Vergessen,
    beiden verschwistert von je –

    Denn wo
    dämmerts denn, sag, als bei ihr,
    die im Stromgebiet ihrer Träne
    tauchenden Sonnen die Saat zeigt
    aber und abermals?


    Paul Celan: Die Gedichte. Suhrkamp.






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