Die Johannes-Kepler-Univestität in Linz will mit schriftlichen Tests für Maturanten hohe Drop-out-Quoten vermeiden – Ein Lokalaugenschein
Linz – Die Luft ist draußen nach vier Stunden. Von 9 bis 13 Uhr wurden sie erst allgemein über ihre Interessen und Fähigkeiten befragt, gefolgt von einem Intelligenztest und einem fachspezifischen Teil. An der Johannes-Kepler-Universität sind am Montag die Studienberatungstests angelaufen. Die Linzer Hochschule ist die einzige in Österreich, die diese Beratung schriftlich durchführt – und das bereits seit 1991.
Auslöser war die hohe Drop-out-Quote an österreichischen Unis. So schlossen damals nur etwa die Hälfte der Studienanfänger das erstgewählte Studium ab. Um die Chancen auf die richtige Studienwahl zu erhöhen, entwickelte das Institut für Pädagogik und Psychologie in Linz die zweigeteilte Befragung. „Wir testeten aber nicht nur Schüler aus und ermitteln ihre Begabungen“, erklärt Christian Bergmann vom Institut. Es gehe vielmehr darum, ihnen zu helfen, „eine persönlich angemessene Entscheidung zu treffen“.
„Also ich glaube, Mechatronik ist die falsche Fachrichtung“, befand ein HTL-Schüler aus Bad Leonfelden. Er sowie weitere Klassenkameraden hatten sich für den Beratungstest mit Fachrichtung Mechatronik angemeldet. Im Jänner informiert die Uni alle Maturaklassen in Oberösterreich über diesen schriftlichen Test. An vier Tagen werden Prüfungen zu sechs Studienrichtungen angeboten.
„Will nicht nach Linz“
Den fachspezifischen Teil fand der Mechatronikschüler „leicht“, dennoch geriet er im Nachhinein ins Grübeln. „Vielleicht mach ich doch eher was in Richtung Soziales.“ Seinem Freund hingegen würde ein Mechatronikstudium zwar schon gefallen, „aber ich will nicht in Linz studieren“. Ein Problem, bei dem ihm auch der Test nicht helfen kann, denn nur in der oberösterreichischen Landeshauptstadt wird Mechatronik als Master-Studium angeboten.
Ganz begeistert hingegen zeigten sich zwei Maturanten des bischöflichen Gymnasiums Petrinum in Linz. Sie interessierten sich für Rechtswissenschaften. Der Test sei „voll professionell“. Doch zur Sicherheit werden sie am nächsten Tag auch noch „bei den Wirtschaftswissenschaften mitmachen“. So wie den beiden geht es rund einem Drittel der Teilnehmer. Sie wissen zwar, dass sie studieren wollen, schwanken aber noch zwischen den Studienrichtungen, so eine Auswertung der Beratungsergebnisse von 2004 bis 2011.
Die Konkurrenz schläft nicht
Rund 14.000 Maturanten haben sich seit der Einführung testen lassen. Pro Jahr sind das 400 und 600 Schüler. „Diesmal sind es nur 304, so wenig wie noch nie“, erklärt Bergmann. Eine mögliche Erklärung liefert er auch noch. Die Konkurrenz schlafe nicht. So finden gleichzeitig mit der Uni-Beratung – in der letzten Schulwoche vor den oberösterreichischen Semesterferien – immer mehr Informationsveranstaltungen von Fachhochschulen statt.
Die zwei Schülerinnen der HBLA-Lentia aus Linz entschieden sich aber für die Uni, denn sie möchten Jus studieren. Auch wenn die Fragen „voll schwierig“ waren und nicht alle Aufgaben im fachspezifischen Teil gelöst werden konnten. „Uns wurde eh gesagt, dass die Aufgaben zum Teil so angelegt sind, dass wir sie in der vorgegebenen Zeit nicht schaffen können“, sagte die eine Maturantin. Sinn sei es gewesen, herauszufinden, „welche Leistung ich unter Druck bringen kann“. Die Auswertung der Beratungstests erhalten die Teilnehmer im März.
Quelle
Kerstin Scheller: Vielleicht mach ich doch was Soziales. Der Standard vom 11. Februar 2014.
WWW: http://derstandard.at/1389859914216/Vielleicht-mach-ich-doch-was-Soziales (14-02-11)