Die Selbstbestimmungstheorie von den Psychologen Deci & Ryan bietet zahlreiche Erklärungen dafür, warum viele Menschen Simulationsspiele so anziehend finden. In diesen geht es oft darum, drei Bedürfnisse zu befriedigen, d. h., erfolgreich etwas in der Welt zu bewegen, mehr oder minder bedeutsame Entscheidungen zu fällen und mit anderen verbunden zu sein. Es geht also um Kompetenz, Autonomie und soziale Eingebundenheit.
Kompetent fühlen sich Menschen dann, wenn sie eine Aufgabe erfolgreich gemeistert haben, also etwa Früchte zu ernten, Tiere zu züchten oder ein Haus zu bauen. Um die TeilnehmerInnen zu motivieren und jeden Tag zu dem Spiel zurückzukommen, auch wenn man objektiv immer dasselbe tun muss, ist der Zeigarnik-Effekt: Menschen erleben eine psychische Spannung, wenn sie eine Aufgabe schon angefangen aber noch nicht beendet haben, d. h., unabgeschlossene Aufgaben gehen den Menschen nicht mehr aus dem Kopf. Solche Simulationsspiele halten den SpielerInnen ständig vor Augen, was sie angefangen und noch nicht zu Ende gebracht haben, sodass diese ständig das Gefühl haben, noch etwas tun zu müssen.
Wenn man etwa sein Haus einrichten und gestalten kann, wie man möchte, erleben die Menschen Autonomie. Man kann etwa sein Haus oder seinen Bauernof oder seine Stadt beliebig gestalten, wobei in den Spielen die Freiheitsgrade immer wieder enorm angehoben werden und schließlich die Gestaltung eines ganzen Dorfes, einer ganzen Insel mit Mobiliar, Straßen, Brücken und Rampen bis zum vollständigen Terraforming erlauben. Viele dieser Dinge sind optional und auch eine große Auswahl steigert das Autonomie-Erleben, ähnlich wie optionale Szenen und Side-Quests in Rollenspielen. Manche Freiheiten winken auch als Belohnung für Spielfortschritte, und hier verschränkt die Lebenssimulation geschickt eine Motivation mit der anderen, denn zum einen fördern Erfolge das Kompetenzerleben, weil man einen weiteren Meilenstein erreicht hat, zum anderen eröffnen sie neue Möglichkeiten, die Welt weiter zu gestalten und verstärken so das Gefühl von Autonomie.
Zu zahlreichen Spielen kommt auch noch die soziale Erfahrung hinzu, denn die Spieleproduzenten wissen genau, wie wichtig soziale Einbindung für die Menschen ist und stellt sie auf gleich drei Ebenen her: durch Nicht-Spieler-Figuren, über Multiplayer und mit Sharing-Funktionen. Die Möglichkeit, andere zu besuchen oder mit anderen zu interagieren, geben den SpielerInnen das Gefühl, sozial eingebunden zu sein. Durch Nicht-Spieler-Figuren werden „Freunde“ eingebaut, auch wenn man ganz allein spielt – solche Beziehungen bezeichnet man als parasozial. Parasoziale Interaktionen sind abweichende, ersatzweise geübte soziale Verhaltensweisen, wobei ein Akteur mit Individuen oder Gruppen interagiert, die organisatorisch oder technisch fingiert werden und als Ansprechpartner zur Verfügung stehen. Wissenssoziologisch fällt eine solche Interaktion in den Bereich der gesellschaftlichen Konstruktion von Wirklichkeit.
Anmerkung: Agnostisch betrachtet fällt auch das Gebet darunter, das innere Gespräch mit Verstorbenen oder mit Gottheiten
Zu einem virtuellen Gegenüber kann man starke Gefühle entwickeln und wechselseitige Beziehungen eingehen, so wie manche Menschen Stars in den sozialen Medien folgen, die ihr Interesse theoretisch zwar erwidern könnten, in aller Regel aber nicht einmal wissen, dass diese überhaupt existieren. Manche Charaktere in den Spielen kann man sogar in sein Herz schließen, und auch wenn diese die eigenen Gefühle letztlich nicht erwidern können, sorgen sie für ein emotionales Erlebnis, das eigentlich nur für reale soziale Interaktionen zutreffen dürfte. Mit jeder Stunde, die man mit einem solchen Spiel verbringt, wird dies fiktive Welt vertrauter, und wenn man abends zum Abschalten und zur Erholung spielt, verbinden man ein so positives Gefühl mit dieser virtuellen Welt und vergisst dabei sogar, mit welchen psychologischen Tricks diese Spiele arbeiten.