Gehirntraining-Apps versprechen, unser Denken zu schärfen, das Gedächtnis zu stärken und sogar einem kognitiven Abbau entgegenzuwirken. Der Markt für solche digitalen Trainingsprogramme wächst seit Jahren, doch ein Blick in die Forschung zeigt ein deutlich nuancierteres Bild als die Werbebotschaften der Anbieter. Verschiedene Übersichtsarbeiten und Einzelstudien belegen zwar, dass gezieltes kognitives Üben tatsächlich bestimmte Fähigkeiten verbessern kann, jedoch meist nur innerhalb des spezifisch trainierten Bereichs. So zeigen Cochrane-Reviews, dass Menschen mit leichter bis mittlerer Demenz dank strukturierten Trainings modest gesteigerte kognitive Leistungen und eine bessere Sprachfähigkeit erreichen – Effekte, die einige Monate anhalten. Eine weitere aufschlussreiche Studie an älteren Erwachsenen zeigt, dass regelmäßige Puzzlespiele die Arbeitsgedächtnisleistung sogar auf das Niveau junger Erwachsener heben können.
Gleichzeitig bleibt die Frage offen, ob diese Fortschritte sich auch auf den Alltag übertragen lassen. Kritiker betonen immer wieder, dass die Verbesserung oft nur das spezifische Spiel betrifft. Viele Anbieter setzen deshalb auf das Training des Arbeitsgedächtnisses, in der Hoffnung, damit einen breiteren Einfluss auf andere Denkprozesse zu erzielen – doch ein eindeutiger wissenschaftlicher Beleg für diesen umfassenden Transfer fehlt bislang. Noch vorsichtiger fällt die Bewertung hinsichtlich Demenzprävention aus. Zwar gibt es Hinweise auf kurzfristige Verbesserungen bei Menschen mit bereits bestehenden Einschränkungen, doch der Nachweis einer langfristigen Vorbeugung steht aus. Die Ursachen von Demenz sind vielfältig, weshalb Expertinnen und Experten weiterhin auf grundlegende Lebensstilfaktoren wie Bewegung, soziale Interaktion und Ernährung verweisen.
Interessant ist jedoch, dass das Gehirn auf intensives Training tatsächlich messbar reagiert: MRT-Studien zeigen strukturelle Veränderungen nach mehrwöchigem, anspruchsvollem Gaming. Diese Beobachtung unterstreicht, dass das Gehirn auch im Alter plastisch bleibt. Dennoch gilt: Der wissenschaftliche Kern der Apps ist vorhanden, aber viele Versprechen gehen darüber hinaus. Besonders unklar sind nach wie vor der Alltagstransfer, langfristige Effekte und echte präventive Wirkung. Viele positive Befunde beruhen zudem auf Korrelationen – also Zusammenhängen ohne gesicherten ursächlichen Beweis.
Die Zukunft der Branche liegt vermutlich in personalisierten Trainingsprogrammen und streng geprüften medizinischen Anwendungen. Erste zertifizierte Angebote wie NeuroNation MED zeigen, dass sich der Markt langsam in Richtung seriöser therapeutischer Werkzeuge entwickelt. Ob die Apps jedoch jemals halten können, was sie an ganzheitlicher Gehirnverbesserung versprechen, bleibt eine Frage, die erst umfangreiche Langzeitforschung beantworten wird.