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Was ist sprachliche Kreativität?

    Die menschliche Fähigkeit, mit Worten zu spielen, Neues zu schaffen und Ausdrucksformen zu variieren, manifestiert sich in sprachlicher Kreativität, die in vielen Facetten zum Ausdruck kommt. Ein Beispiel für Neuschöpfungen von Wörtern ist die Zusammenführung bestehender Begriffe zu einem neuen Wort, oder die Bildung neuer „Kofferwörter“ durch Verschmelzung von Wortbestandteilen. Die Verbindung der Begriffe „Britain“ und „Exit“ ergibt den Neologismus „Brexit“, welcher den EU-Austritt des Vereinigten Königreichs beschreibt. Als weiteres Beispiel kann der Begriff „Teuro“ angeführt werden, der als Ausdruck für Preissteigerungen nach der Einführung des Euros verwendet wird. Andere kreative Sprachformen sind beispielsweise Alliterationen, bei denen die Anfangsbuchstaben von aufeinanderfolgenden Wörtern gleich lauten, oder die Verwendung von Wörtern in einem neuen Sinnzusammenhang. Dabei werden Begriffe oder Phrasen aus ihrem ursprünglichen Kontext entlehnt und in einem völlig neuen Sinne benutzt. Die Frage nach der Genese solcher Wortneuschöpfungen erscheint dabei von besonderem Interesse. Welche Prozesse sind involviert, wenn sprachliche Routinen in situativen Kontexten erweitert werden?

    Die sprachliche Kreativität ermöglicht es Menschen, neue kommunikative Möglichkeiten zu kreieren, die über alles hinausgehen, was sie bisher gehört haben, und Dinge zu sagen, die sie noch nie zuvor gesagt haben. Diese Theorie postuliert, dass die menschliche Sprachfähigkeit auf einer Reihe von Konstruktionen basiert. Diese Paarungen aus Form und Bedeutung umfassen sowohl festgelegte Redewendungen als auch freie Satzbausteine. Diese Konstruktionen werden von Menschen nicht nur durch häufiges Wiederholen erlernt, sondern auch durch kognitive Vorgänge wie Analogiebildung und das Erkennen von Mustern. Die bisherigen Modelle sind in der Lage, nahezu alle linguistischen Phänomene zu erklären, beispielsweise wie Menschen Sprache lernen und kreativ anwenden. Allerdings beschränken sie sich auf die Erklärung von bereits stattgefundenen Ereignissen, sodass es ein Ziel sein muss, ein innovatives neurokognitives Sprachmodell zu entwickeln, das Vorhersagen ermöglicht, die anschließend in empirischen Studien untersucht werden können.

    Ein vielversprechender Ansatz ist die Entwicklung eines neurokognitiven Modells der sprachlichen Kreativität, beispielsweise in Form der Predictive Construction Grammar. Dazu ist eine Kombination bestehender Modelle und Theorien aus der kognitiven Linguistik, der kognitiven Psychologie und den kognitiven Neurowissenschaften erforderlich, wobei der Fokus auf verbaler Kreativität, d. h. der Fähigkeit, Sprache auf innovative Weise zu nutzen, liegt. Der Grad der sprachlichen Kreativität eines Individuums steht in Zusammenhang mit dessen Intelligenz sowie dem Umfang des verfügbaren Wortschatzes. Auch die regelmäßige professionelle Auseinandersetzung mit Sprache, beispielsweise in den Bereichen Werbung, Schriftstellertum, Journalismus oder Kunst, übt einen Einfluss auf die sprachliche Kreativität aus.

    Diese Thematik ist Teil eines Forschungsprojektes, bei dem Wissenschaftler der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt mit Hilfe der kognitiven Linguistik und der neurokognitiven Psychologie entschlüsseln wollen. Der Sprachwissenschaftler  Thomas Hoffmann und der Psychologe Marco Steinhauser wollen dabei ein Modell entwickeln, das die Prozesse des Sprachverständnisses und der Sprachproduktion nicht nur rückblickend erklären, sondern auch aktiv vorhersagen kann. Das Forschungsprojekt hat das Potenzial, unser Verständnis von menschlicher Kreativität wesentlich zu vertiefen.






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