Die Übergeneralisierung von Angst auf harmlose Situationen ist ein zentrales Merkmal von Angststörungen, die aus akutem Stress resultieren, aber die Mechanismen, durch die Angst generalisiert wird, sind nur unzureichend bekannt. In einer neueren Studie konnten Li et al. (2024) zeigen, dass generalisierte Angst bei Mäusen durch einen Transmitterwechsel von Glutamat zu GABA in serotonergen Neuronen der Seitenflügel der dorsalen Raphe verursacht wird. In dem Experiment wurden die Mäuse durch Elektroschocks akutem Stress ausgesetzt, wobei leichte Elektroschocks zu Angst vor dieser Schmerzsituation führten, während starke Elektroschocks eine generalisierte Angstreaktion auslösten. Eine solche Reaktion kann auch beim Menschen die Folge von ungewöhnlich starkem Stress sein und im Rahmen von Angststörungen oder posttraumatischen Belastungsstörungen auftreten. Bei den Mäusen identifizierten die Forscher nun einen Bereich im Hirnstamm (Raphekern), in dem sich bei den zuvor stark gestressten Nagern die Serotonin ausschüttenden Nervenzellen verändert hatten: Statt des anregenden Botenstoffs Glutamat schütteten sie vermehrt den hemmenden Botenstoff GABA aus. Eine Überbrückung des Transmitterwechsels bei den Mäusen verhinderte jedoch den Erwerb von generalisierter Angst, was darauf hindeutet, dass dieser Mechanismus gezielt eingesetzt werden könnte, um einige der schädlichen Folgen von akutem Stress zu verhindern.
Literatur
Li, Hui-quan, Jiang, Wuji, Ling, Li, Pratelli, Marta, Chen, Cong, Gupta, Vaidehi, Godavarthi, Swetha K. & Spitzer, Nicholas C. (2024). Generalized fear after acute stress is caused by change in neuronal cotransmitter identity. Science, 383, 1252-1259.