*** Hier KLICKEN: Das BUCH dazu! *** Der Psychotherapeut Victor Chu ist der Ansicht, dass sich die gesellschaftliche Rolle des Mannes sich in einem Wandel befindet, wobei er in den letzten Jahrzehnten eine Krise der Männer erkennt, die sich etwa daran zeigt, dass viele Ehen auseinandergehen, dass es immer mehr Alleinerziehende, vor allem alleinerziehende Mütter gibt, und dass die Männer sich so aus den Familien entfernen. Zwar gibt es auch die neuen Väter, die sich in der Familie vermehrt engagieren, doch grundsätzlich bewegt sich die westlichen Welt in Richtung einer vaterlosen bzw. vaterarmen Gesellschaft, denn heute ist das Fehlen des leiblichen Vaters für viele Kinder mit einer alleinerziehenden Mutter oder in Patchworkfamilien schon Normalität. Besonders Buben brauchen aber positive Väter- und Männervorbilder, um sich gesund zu entwickeln und beziehungsfähig zu werden. Jedes Kind braucht den Vater als männliches Vorbild und als Gegengewicht zur Mutter, damit es sich aus der engen Mutter-Kind-Symbiose lösen kann, und der Vater braucht die Bestätigung, dass er ein nützlicher und unentbehrlicher Teil der Familie ist.
Chus Meinung nach spielt dabei der Niedergang der patriarchalischen Ordnung seit den Weltkriegen eine zentrale Rolle spielt, denn die 68er-Studentenbewegung, die sexuelle Revolution, die Liberalisierung des Abtreibungsparagrafen und die Frauenemanzipations-Bewegung ließen die gesellschaftliche Bedeutung der Männer immer mehr verschwinden. Die Gleichberechtigung von Männern und Frauen ist in den letzten Jahrzehnten mit Riesenschritten vorangegangen und auch im Selbstbewusstsein junger Frauen hat sich etwas verändert, denn sie wollen unabhängig vom Mann ihre eigenen Wege gehen und finanziell auf eigenen Füßen stehen. In dem Maße, wie Frauen unabhängiger und selbstständiger werden, werden Männer tatsächlich entbehrlicher, zumindest in materieller Hinsicht, d. h., die Gesellschaft nähert sich wieder mehr dem Zustand matriarchalischer Kulturen, in denen der Vater nur für kurze Zeit in die Familie kommt und dann wieder geht.
In den letzten Jahrzehnten kann man beobachten, wie Buben und junge Männer in Familie und Schule, auf der Universität und in der Arbeitswelt hinter ihren Zeitgenossinnen zurückfallen. Eltern beklagen sich, dass ihre Söhne die Schule schwänzen, stundenlang vor dem PC oder am Handy hocken, dass sie beträchtliche Mengen Alkohol und andere Suchtmittel konsumieren und nach der Schulzeit nicht wissen, was sie mit ihrem Leben machen sollen und stattdessen zu Hause im Hotel Mama ihre Zeit totschlagen.
Männer werden heute von vielen Seiten kritisiert und hinterfragt, und sie wissen nur, wie sie nicht zu sein haben. Kritik von außen, speziell von weiblicher Seite, kann bei Männern dazu führen, Schuldgefühle zu entwickeln, aber keine Einsicht, d. h., sie verkriechen sich dann eher in ein schuldbewusstes Schweigen und ziehen sich aus dem Familienleben zurück. Schuldgefühle können aber aggressive Gegenreaktionen auslösen, die auch in Gewaltausbrüchen, fundamentalistischen Einstellungen, Fremden- und Frauenhass münden. Ein wesentliches Hindernis für ein positives männliches Identitätsgefühl ist zudem die Scham, denn wenn junge Männer sich heute schämen, einem Geschlecht anzugehören, das von so vielen Seiten kritisiert wird, verabschieden sie sich aus der aktiven Beteiligung an der Gesellschaft.
Manche psychische Störungen und körperliche Erkrankungen haben ihren Ursprung auch in transgenerationalen Traumata, als viele Männer traumatisiert aus dem Krieg zurückkamen, sich dann finanziell zwar um ihre Familien gekümmert haben, emotional aber eigentlich nicht ansprechbar waren. Das wurde an die folgenden Generationen weitergegeben, an die Söhne und Enkel, die sich ebenso emotional zurückgezogen haben wie Vater und Großvater. Aufgrund der eigenen Beziehungsstörung fehlt dann die persönliche, enge Verbindung mit den Kindern. Innerlich abwesende Väter können ihren Söhnen keine guten Vorbilder sein, ebenso wenig wie Väter, die in ihre Arbeit verschwinden.
In zwei Studien (Stewart-Williams et al., 2020) wurde untersucht, wie Menschen auf Forschungsergebnisse reagieren, die einen Geschlechtsunterschied beschreiben, je nachdem, ob dieser Unterschied Männer oder Frauen begünstigt, und wie genau Menschen vorhersagen können, wie der durchschnittliche Mann und die durchschnittliche Frau reagieren werden. In der ersten Studie erhielten TeilnehmerInnen einen fiktiven populärwissenschaftlichen Artikel, der entweder einen männlich bevorzugten oder einen weiblich bevorzugten Geschlechtsunterschied beschreibt (etwa Männer/Frauen zeichnen besser, Frauen/Männer lügen mehr). Beide Geschlechter reagierten weniger positiv auf die Unterschiede zwischen Männern und Frauen und beurteilten die Ergebnisse als wenig wichtig, wenig glaubwürdig und als beleidigend, schädlich und verärgernd. Insgesamt wurden für Männer positive Studienergebnisse reflexhaft in Zweifel gezogen, und zwar von Männern wie Frauen gleichermaßen. Die häufigste Reaktion auf solche Studienergebnisse bestand darin, diese anzuzweifeln, d. h. zu vermuten, dass die Forscher Vorurteile gegen Frauen hätten, dass die Experimente fehlerhaft konzipiert wären oder die Daten wurden schlampig ausgewertet. Die ProbandInnen sagten auch voraus, dass der durchschnittliche Mann und die durchschnittliche Frau positiver auf die geschlechtsspezifischen Unterschiede zugunsten ihres eigenen Geschlechts reagieren würden. Dies traf auf die durchschnittliche Frau zu, obwohl das Ausmaß der Bevorzugung des eigenen Geschlechts geringer war als von den TeilnehmerInnen vorhergesagt. Es traf jedoch nicht auf den durchschnittlichen Mann zu, der wie die durchschnittliche Frau positiver auf die frauenfreundlichen Unterschiede reagierte. Diese Ergebnisse wurden in einer südostasiatischen Stichprobe repliziert, wobei die Ergebnisse mit der Vorstellung übereinstimmten, dass beide Geschlechter die Frauen stärker einschätzen als die Männer, dass aber beide das Ausmaß der gleichgeschlechtlichen Bevorzugung innerhalb jedes Geschlechts übertreiben. Positive Aussagen über Männer gelten im Vergleich als unglaubwürdig, d. h., Frauen werden in den meisten Kulturen in einem positiveren Licht betrachtet, sodass im Vergleich dazu bessere Aussagen über Männer Ablehnung auslösen.
Literatur
Zusammengefasst nach einem Interview von Ulrike Abel-Wanek mit Victor Chu in der Pharmazeutischen Zeitung vom 31. Juli 2020.
WWW: https://www.pharmazeutische-zeitung.de/maenner-in-der-krise-119201
Stewart-Williams, Steve, Chang, Chern Yi Marybeth, Wong, Xiu Ling, Blackburn, Jesse D. & Thomas, Andrew G. (2020). Reactions to male-favouring versus female-favouring sex differences: A pre-registered experiment and Southeast Asian replication. British Journal of Psychology, doi:10.1111/bjop.12463.