Vorurteile gegenüber Einzelkindern sind weit verbreitet und oft negativ konnotiert, aber viele dieser Annahmen sind nicht durch wissenschaftliche Belege gestützt. Hier sind einige gängige Vorurteile gegenüber Einzelkindern und Erklärungen, warum sie meist falsch sind:
Einzelkinder sind egoistisch und verwöhnt
Häufig wird angenommen, dass Einzelkinder egoistisch und verwöhnt sind, weil sie die uneingeschränkte Aufmerksamkeit ihrer Eltern erhalten. Untersuchungen zeigen jedoch, dass die Persönlichkeit eines Kindes weniger von der Geschwisterkonstellation abhängt, sondern stärker von der Erziehung, den sozialen Erfahrungen und dem Umfeld beeinflusst wird. Studien der Psychologen Toni Falbo und Denise Polit, die viele Untersuchungen zu diesem Thema zusammenfassten, fanden keine systematischen Unterschiede im Altruismus oder Egoismus von Einzelkindern im Vergleich zu Kindern mit Geschwistern. Die Forscher kamen zu dem Schluss, dass das Vorurteil weitgehend unbegründet ist und von kulturellen Stereotypen herrührt.
Einzelkinder sind einsam und haben soziale Defizite
Das Vorurteil, dass Einzelkinder Schwierigkeiten haben, soziale Beziehungen aufzubauen, konnte durch verschiedene Studien entkräftet werden. Forscher fanden heraus, dass Einzelkinder oft genauso gut in der Lage sind, Freundschaften zu knüpfen und soziale Bindungen aufzubauen wie Kinder mit Geschwistern. Einzelkinder haben oft engere Beziehungen zu Gleichaltrigen und investieren verstärkt in Freundschaften. Zudem wirken Eltern meist aktiv daran mit, dass ihr Einzelkind soziale Kontakte pflegt, was das soziale Verhalten positiv beeinflussen kann.
Einzelkinder sind weniger resilient und emotional instabil
Die Vorstellung, dass Einzelkinder weniger widerstandsfähig und emotional labil sind, ist nicht durch Forschung gestützt. Eine Untersuchung aus dem Jahr 2018, die im Fachjournal Frontiers in Psychology veröffentlicht wurde, verglich die emotionale Stabilität von Einzelkindern und Kindern mit Geschwistern und fand keine signifikanten Unterschiede in der Resilienz. Die emotionale Stabilität und Resilienz von Kindern hängt stark von der elterlichen Erziehung, der Qualität der Eltern-Kind-Beziehung und weiteren sozialen Einflüssen ab – nicht von der Anzahl der Geschwister.
Einzelkinder sind weniger erfolgreich in Teamarbeit
Dieses Vorurteil besagt, dass Einzelkinder Probleme in der Zusammenarbeit mit anderen haben, da sie es nicht gewohnt sind, zu teilen oder sich anzupassen. Studien zeigen jedoch, dass Einzelkinder ebenso gut im Team arbeiten können wie Kinder mit Geschwistern. Laut einer Metaanalyse von Falbo und Polit gibt es keinen signifikanten Unterschied in der Kooperationsfähigkeit von Einzelkindern und Kindern mit Geschwistern. Einzelkinder lernen oft in Kindergärten und Schulen soziale Fähigkeiten, die ihre Teamfähigkeiten fördern.
Einzelkinder sind leistungsschwächer und haben Probleme im Schulalltag
Studien zeigen das Gegenteil: Einzelkinder schneiden tendenziell sogar leicht besser in der Schule ab als Kinder mit Geschwistern. Forscher vermuten, dass dies daran liegen könnte, dass Eltern mehr Zeit und Ressourcen in die Förderung eines Einzelkindes investieren können. Auch Falbo und Polit stellten fest, dass Einzelkinder oft über ein hohes Maß an Selbstdisziplin und eine positive Einstellung zum Lernen verfügen, was ihre schulischen Leistungen fördert. Einzelkinder scheinen also akademisch keineswegs benachteiligt zu sein.
Viele der gängigen Vorurteile über Einzelkinder entbehren wissenschaftlicher Grundlage und basieren auf kulturellen Stereotypen. Zahlreiche Studien zeigen, dass Einzelkinder weder egoistischer noch sozial benachteiligt sind, sondern sich in ihrer Persönlichkeit und sozialen Kompetenz meist kaum von Kindern mit Geschwistern unterscheiden.