Frühere Untersuchungen (Kahneman & Deaton, 2010) hatten gezeigt, dass das erlebte Wohlbefinden über einem Einkommen von 75000 Dollar im Jahr nicht mehr wesentlich ansteigt, doch basierte dieses Forschungsergebnis auf einem Datensatz mit einem Maß für erlebtes Wohlbefinden, das möglicherweise nicht das tatsächliche emotionale Erleben widerspiegelt, denn es handelte sich um retrospektive Angaben. Die Forschung unterscheidet grundsatzlich zwischen zwei Formen des Wohlbefindens: die Gefühle der Menschen in einem konkreten Augenblicken ihre Lebens, also das erlebte Wohlbefinden bzw. Echtzeit-Wohlbefiinden, und das Wohlbefinden bei einer Bewertung des Lebens durch Menschen, wenn sie innehalten und nachdenken, also das evaluative Wohlbefinden. Killingsworth (2021) hat nun in einer Datenanalyse gezeigt, dass bei über einer Million Echtzeit-Berichten zum erlebten Wohlbefinden das Ausmaß des Wohlbefindens linear mit dem logarithmischen Einkommen ansteigt, und zwar mit einer ebenso steilen Steigung oberhalb von 80000 Dollar wie darunter. Dies deutet darauf hin, dass höhere Einkommen immer noch das Potenzial haben, das alltägliche Wohlbefinden der Menschen zu verbessern, und dass beim Wohlbefinden nicht ein diesbezügliches Plateau in wohlhabenden Ländern erreicht wird. Dabei war auch die Steigung für Besserverdienende genauso steil wie für Geringverdienende, sodass es auch hier keine Hinweise auf ein Plateau des erlebten Wohlbefindens gibt. Es gab auch keine Hinweise auf eine Einkommensschwelle, bei der das erlebte und das bewertete Wohlbefinden auseinanderklaffen, was darauf hindeutet, dass ein höheres Einkommen sowohl mit einem besseren Gefühl im Alltag als auch mit einer größeren Zufriedenheit mit dem Leben insgesamt einhergeht. Allerdings wurden jenseits der 80000 Dollar bei höheren Einkommen mehr positive Gefühle registriert, während es darunter vor allem weniger negative waren, d. h., mehr Geld macht Gutverdiener glücklicher und Geringverdienende weniger unglücklich. Drei Viertel des Zusammenhangs zwischen Einkommen und Wohlbefinden lassen sich übrigens durch einen einzigen Faktor erklären, und zwar durch Kontrolle über das eigene Leben.
Literatur
Kahneman, Daniel & Deaton, Angus (2010). High income improves evaluation of life but not emotional well-being.Proceedings of the National Academy of Sciences, doi:10.1073/pnas.1011492107.
Killingsworth, Matthew A. (2021). Experienced well-being rises with income, even above $75,000 per year. Proceedings of the National Academy of Sciences, doi:10.1073/pnas.2016976118.