Chronische Schmerzsyndrome sind häufig therapierefraktär und verursachen erhebliches Leiden und Behinderungen, wobei der Schweregrad der Schmerzen häufig anhand subjektiver Berichte gemessen wird, während objektive Biomarker, die für Diagnose und Behandlung hilfreich sein könnten, fehlen. Außerdem ist nach wie vor unklar, welche Hirnaktivität chronischen Schmerzen in klinisch relevanten Zeiträumen zugrunde liegt oder wie sie mit akuten Schmerzen zusammenhängt.
Studien legen nahe, dass vor allem Areale im präfrontalen Cortex am Schmerzempfinden beteiligt sind. Im Rahmen einer Studie implantierten Shirvalkar et al. (2023) vier Schmerzpatienten Elektroden so unter die Schädeldecke, dass diese spezifisch die Aktivität in zwei Arealen des präfrontalen Cortex aufzeichneten, dem anterioren cingulären Cortex und dem orbitofrontalen Cortex, denn Messungen mit funktionaler Magnetresonanztomographie zeigten, dass beide Areale bei akutem Schmerz aufleuchten. Nun wollte man herausfinden, ob diese Regionen auch bei der Verarbeitung von chronischem Schmerz eine Rolle spielen, und ob es dabei Hirnsignale gibt, die mit der Intensität des Schmerzes zusammenhängen. Über drei bis sechs Monaten hinweg gaben die vier Testpersonen mehrfach am Tag mithilfe einer standardisierten Schmerzskala an, wie intensiv ihre chronischen Schmerzen waren, wobei gleichzeitig die Elektroden ihre Hirnaktivität aufzeichneten.
Es zeigte sich, dass es tatsächlich ein spezifisches, wiedererkennbares Muster der Hirnaktivität bei chronischen Schmerzen gibt, wobei der orbitofrontale Cortex besonders aktiv ist, wenn ein Mensch unter chronischen Schmerzen leidet, denn je intensiver der Schmerz war, desto höher war die im gemessene Aktivität, wobei in geringerem Maße auch der anteriore cinguläre Cortex aktiviert war. Beide Messungen zusammen ermöglichten es, den Schmerz der Probanden mit teilweise mehr als 80-prozentiger Sensitivität und Spezifität an deren Hirnaktivität abzulesen.
In einem ergänzenden Experiment zeigt sich, dass beim akuten Schmerzempfinden vor allem der anteriore cinguläre Cortex aktiv wird und nur in geringerem Maße der orbitofrontale Cortex. Diese Ergebnisse könnten künftig auch eine objektive Schmerzmessung ermöglichen.
Literatur
Shirvalkar, Prasad, Prosky, Jordan, Chin, Gregory, Ahmadipour, Parima, Sani, Omid G., Desai, Maansi, Schmitgen, Ashlyn, Dawes, Heather, Shanechi, Maryam M., Starr, Philip A. & Chang, Edward F. (2023). First-in-human prediction of chronic pain state using intracranial neural biomarkers. Nature Neuroscience, doi:10.1038/s41593-023-01338-z.