Zahlreiche Experten fordern, wieder stärker die Handschrift und sogar das Schönschreiben zu fördern, denn es ist auch nach wie vor wichtig, das Schreiben mit der Hand zu erlernen, wobei es um mehr geht darum, dass Kinder eine funktionale und eine für sie gut nutzbare Handschrift erwerben. Im Gegensatz zum Schreiben mit einer Tastatur geht es darum, Buchstaben auch aus der Bewegung heraus zu erkennen, denn ein „A“ fühlt sich anders an als ein „B“, wenn man es mit der Hand schreibt. Nur auf diese Weise kann das Gehirn verarbeiten, was die Hand macht, und somit verliert man eine Sinnesebene und das erschwert das tatsächliche Verstehen. Dabei ist nicht so wesentlich, welche Ausgangsschrift verwendet wird, d. h., es muss nicht unbedingt eine verbundene Schreibschrift erlernt werden. Experten vermuten sogar, dass zwischen Handschrift und Persönlichkeitsentwicklung eine Verbindung besteht, auch wenn es dafür nicht allzu viele wissenschaftlich haltbare Belege gibt. Immerhin wird etwa auch durch die Verwendung von Tablets schon die Möglichkeit geboten, das mit einem Stift Geschriebene in Digitalschrift umzuwandeln. Beim Schreibenlernen mit der Hand geht es auch darum Bewegungsroutinen zu entwickeln, die dann im Gehirn abgespeichert werden. Je rauer der Schreibuntergrund, umso stärker der Widerstand, sodass es für Kinder ein viel intensiveres Erlebnis ist, mit einem Bleistift auf rauem Papier zu schreiben als mit einem Kugelschreiber auf einem glatten Papier oder mit einem Finger bzw. Stift auf einem Tablet. Am allerbesten zum Schreiben lernen ist sicherlich Schiefertafel und Griffel, wobei besonders Kindern mit motorischen Problemen davon profitieren.
Das Schreiben mit dem Stift oder der Füllfeder ist eine Kulturtechnik und im besten Sinne des Wortes auch Handwerk, doch ist der Weg zu einer flüssigen Handschrift alles andere als leicht, wie man aus eigener Erfahrung weiß oder bei Kindern beobachten kann. So mancher ABC-Schütze scheint daran zunächst zu verzweifeln. Das Handschreiben fördert die Merkfähigkeit, das inhaltliche Verständnis, Kreativität und selbst das logische Denken. Das Schreiben mit der Hand wirkt sich positiv auf das Gehirn und damit die kognitive Entwicklung aus. Wenn man vom Schreiben spricht, denkt man zuerst an die Schrift, wobei die Bewegungen, die zur Schrift führen, entscheidend sind, also die Schreibmotorik. Kleine Finger- und Handgelenkbewegungen ermöglichen erst die Ausgestaltung der Schrift, wobei sich siebzehn Gelenke und mehr als 30 Muskeln im Hand-Arm-System bewegen, wobei zwölf Hirnareale gleichzeitig aktiv sein müssen. Das Schreiben mit der Hand ist also ein komplexer, feinmotorischer Ablauf, denn nur geübte Finger können das Schreibgerät beherrschen. Dass Kinder immer weniger Bewegungsspiele spielen, wirkt sich das nicht nur auf die Grobmotorik sondern auch auf die Feinmotorik aus.
Studien haben gezeigt, dass schon eine Stunde Handschriftförderung in der Woche eine Reihe positiver Effekte hat, und zwar über alle Fächer hinweg und weit über die Volksschule hinaus. Schreiben erhöht die Merkfähigkeit und die Kreativität, man unterstützt dadurch auch das Lesenlernen und das Lernen im Allgemeinen. Handschrift erfordert größere feinmotorische Fertigkeiten und eine viel stärkere Differenzierung, denn dadurch prägen sich die unterschiedlichen Buchstabenformen dauerhafter ein, d. h., die Handschrift nützt dem Schriftspracherwerb mehr als das Tippen auf der Tastatur. Beim Tippen gelangt man mit immer der gleichen Bewegung zu einem Buchstaben, wenn man aber ein Schriftzeichen per Hand schreibt, muss man Bewegungen vollführen, die bei jedem Buchstaben anders aussehen. Jeder Buchstabe hat einen anderen charakteristischen Bewegungsablauf, und diese kleinsten, differenzierten Bewegungen sind es, die das Gehirn aktivieren und beim Lernen helfen. Man kann davon ausgehen, dass die gesamte kognitive Entwicklung von Kindern durch Schreiben stärker befruchtet wird als durch Tippen, weil mehr benachbarte Funktionen wie Vorstellungskraft, Kreativität, Rechtschreibung und Erinnerungsvermögen angeregt werden. Zudem wird bei der Verarbeitung von Text in Form von Handschreiben eine motorische Gedächtnisspur im Gehirn angelegt, auch bei Erwachsenen.
Zusammengefasst nach
https://de.sputniknews.com/panorama/20190513324955565-paedagogikprofessor-schreiben-schiefertafel-griffel/ (19-05-12)
Marianela Diaz Meyer, Leiterin des deutschen Schreibmotorik-Instituts, in einem Interview mit Markus Böhm im STANDARD vom 31. August 2020.