CLAUDIA DABRINGER (Die Presse)
Schlafstörungen vor einer Prüfung, „Aufschieberitis“ bei der Masterthesis – einen Lebensabschnitt abzuschließen kann ganz schön stressen. Gelassenheit bringen gute Planung und Lernpartner.
Fast jeder, der ein Studium hinter sich gebracht hat, erinnert sich an Berge von Prüfungsunterlagen und Materialien für die Abschlussarbeit. Die einen kraxeln mit Tatkraft und Zielstrebigkeit scheinbar mühelos über diesen Berg, die anderen können sich noch nicht einmal aufraffen, die Kletterschuhe auszupacken. Man schiebt und schiebt den Beginn hinaus, während die Termine für Prüfung und Masterthesis unbarmherzig näher rücken. Kein Wunder, dass dabei Panik ausbricht.
Sitzt man an der Abschlussarbeit fest, hängt das oft damit zusammen, „dass man über längere Zeit Defizite beim Schreiben hat und sich das einfach nicht mehr zutraut“, sagt Rudolf Pichler, Leiter der psychologischen Studentenberatung Graz. Der Erwartungsdruck, dem man sich selbst aussetzt, ist enorm – auch, was die wissenschaftliche Formulierung angeht. „Dabei liegt die Wissenschaftlichkeit eines Textes nicht in dessen Kompliziertheit, sondern in dessen Klarheit und Strukturiertheit. Ein ästhetischer Anspruch sollte erst in einem späteren Arbeitsschritt, also beim Überarbeiten der Rohfassung, zum Tragen kommen“, beruhigt Werner Stangl, Assistenzprofessor am Institut für Pädagogik und Psychologie der Universität Linz. Kurios: Viele schöben das Ende ihres Studiums – bewusst oder unbewusst – auch deshalb hinaus, weil sie noch nicht in den Arbeitsprozess eintreten oder heiraten wollten, sagt Rudolf Pichler. Und sind dann logischerweise blockiert.
Realistische Ziele
Wie man eine Schreibblockade aus dem Weg räumt? Sich die wahren Gründe einzugestehen und eine Lösung zu suchen und bei der konkreten Arbeit realistische Ziele zu setzen. „Bei einer Masterthesis kann man beispielsweise einfach einmal mit dem Inhaltsverzeichnis anfangen“, rät Pichler. Der Vorteil: Damit strukturiert man schon einmal die Arbeit und gibt sich selbst die Schritte vor. Damit man ins Schreiben als solches hineinkommt, empfiehlt Werner Stangl das Fünfminutenschreiben. Man stelle sich einen Küchenwecker und schreibe einfach drauflos: „Dabei kann und soll über alles geschrieben werden, was einem gerade einfällt, denn Hauptzweck dieser Übung ist nicht der perfekte Text, sondern einfach auf Kommando mit dem Schreiben loszulegen, gleichgültig, ob das Geschriebene später einmal gebraucht wird oder nicht, ob es in eine Arbeit übernommen oder doch wieder verworfen wird.“
Ähnlich verhält es sich bei Prüfungsangst. Auch hier sind die Erwartungen an sich selbst hoch. Hinzu kommt die Angst vor dem Ergebnis und den daraus resultierenden Folgen. Wer schon beim Gedanken an den mündlichen Abschluss schweißnasse Hände bekommt, ist aber erstmal auf dem richtigen Weg: „Aufregung und Angst vor oder während einer Prüfung sind normal und können in gewissem Ausmaß sogar leistungsfördernd sein. Wir brauchen ein mittleres Aktivierungsniveau, um lernen und in einer Prüfungssituation bestehen zu können“, sagt Johanna Vedral, Psychologin und Schreib-Coach für wissenschaftliches Schreiben. Wie intensiv die Angst sei, hänge von verschiedenen Faktoren wie von der Bedeutung des Ereignisses, den Prüfern und dem Wissensstand ab. „Die meisten Menschen, die unter Prüfungsangst leiden, haben mehr Angst, sich bei mündlichen Prüfungen zu blamieren.“
Um sich gegen mündliche Katastrophenszenarien sowie damit verbundene Schlaf- und Konzentrationsstörungen zu wappnen, hilft Simulation. Rudolf Pichler rät, sich einen Lernpartner zu suchen, den Stoff aufzuteilen und dann die jeweiligen Blöcke in einer prüfungsähnlichen Abfragesituation nachzustellen. Werner Stangl: „Das Bewusstsein, genug Zeit für die Vorbereitung zu haben und im Zeitplan für die Prüfung zu sein, reduziert die Angst.“ Also rechtzeitig die Unterlagen besorgen und den Stoff in so kleine Portionen teilen, wie sie in überschaubaren Lerneinheiten zu bewältigen sind.
Probestunde mit Stoppuhr
Zusätzlich sollte man eine halbe Stunde täglich für die Wiederholung bereits gelernten Stoffes einplanen, sagt Johanna Vedral und rechnet vor: „Für eine Prüfung mit 3000 Seiten Stoff habe ich zum Beispiel sechs Wochen lang etwa fünfmal pro Woche drei Stunden Lernzeit aufgewendet, da größere Stoffmengen mehr Wiederholungen brauchen.“ Auf eine Formel bringt es Rudolf Pichler, der rät, eine „Probestunde“ zu absolvieren und zu prüfen, wie viel Stoff man in dieser Zeit lernen kann. „Dann kann ich das auf den gesamten Prüfungsstoff umlegen und mir ein Ziel setzen. Das sollte allerdings eher kleiner als größer sein. So kann man sein Selbstbewusstsein stärken, wenn man es auch erreicht hat.“ Er empfiehlt Lerneinheiten von maximal eineinhalb Stunden, eher kürzer. Und Pausen: die erste mit zehn Minuten, die zweite mit 20 und die dritte mit 30 Minuten.
Um sich auf den „Tag der Wahrheit“ vorzubereiten, sollte man bereits 24 Stunden vorher letztmals den Stoff wiederholt haben „und zwei Stunden vor einer größeren Prüfung sich keinesfalls mehr mit dem Stoff beschäftigen, sondern bei einem Spaziergang Sauerstoff tanken“, rät Stangl. Wichtig sei auch, sich mit der Prüfungsumgebung vertraut zu machen, also das Zimmer oder den Hörsaal zu erkunden. Dämmert dann trotzdem ein Blackout, nehme es keiner übel, wenn man um eine kleine Auszeit bittet: „Tief durchatmen, Augen zur Entspannung schließen oder sich bei einem Blick aus dem Fenster kurz sammeln“, sagt Johanna Vedral. Und sich selbst beruhigen: „Ruhig bleiben. Durchatmen. Keine Panik. Noch mal von vorn.“
Auf einen Blick
Was hilft gegen Schreibblockaden und Prüfungsangst? Einige Möglichkeiten:
Bei schriftlichen Arbeiten:
• Einen klaren Zeitplan erstellen
• Mit Übungen den Schreibfluss fördern
• Ein Inhaltsverzeichnis erstellen, um die nächsten Arbeitsschritte zu definieren
Bei mündlichen Prüfungen zur Vorbereitung:
• Bei einer Probelernstunde testen, wie viel Stoff in einer Stunde realistischerweise gelernt werden kann
• Einteilung des Stoffes in Lerneinheiten, die auch bewältigbar sind
• Prüfungssituation mit einem Lernpartner simulieren
Bei einem Blackout:
• Um kurze Auszeit bitten
• Frage zurückstellen
• Sich den Prüfer als Lernpartner vorstellen.
WEITERE INFORMATIONEN UNTER
www.schreibstudio.at
www.lerntipp.at
www.studentenberatung.at
Quelle: „Die Presse“, Print-Ausgabe, 28.09.2011
These advices will be very helpful at the time of examination. Making a timetable and following it can help us to prepare well.