Der Unterschied zwischen Fiktion und Realität? Fiktion muss Sinn ergeben.
Tom Clancy
Das menschliche Gehirn konstruiert Realität, d. h., Menschen suchen in der Welt nach Fakten, die zu ihren Weltbildern passen, wobei welche Fakten sie akzeptieren, vielfältig determiniert ist. Aus dem umfangreichen Faktenangebot wählen Menschen mehrheitlich jene, die ihre Weltsicht bestätigen, d. h., aus den unendlich vielen möglichen Wirklichkeiten basteln sie sich ihre exklusive Realität – selektive Wahrnehmung. Die Methode der Naturwissenschaften, sich mit Versuch und Irrtum an eine bis zu ihrer Widerlegung stimmige Wahrheit heranzutasten, funktioniert im normalen Leben und bei sozialen Phänomenen nicht, denn jedes menschliche Gehirn bastelt seine eigene Wirklichkeit, die es für faktengestützt hält. Der Entschluss, für welche faktengestützte Variante man sich entscheidet, hängt weniger von der Validität der Fakten, sondern hochgradig vom eigenen Weltbild ab. Gegen solche Konstrukte des Gehirns lässt sich kaum argumentieren, denn selbst Fakten, auf die man sich im Diskurs einigen kann, offenbaren im Auge des Betrachters unterschiedliche Wahrheiten, was bedeutet, es gibt keine objektive Interpretation von Daten, denn je nach persönlichkeitsspezifischer Ausrichtung, interpretiert man selbst unumstrittene Fakten unterschiedlich. Geschlossene Weltbilder produzieren exklusive Fakten, eine exklusive Realität, denn die Akzeptanz von Fakten hängt beinahe ausschließlich vom eigenen Standpunkt bzw. der eigenen Weltanschauung ab.
In einem Experiment wurden Studierende in ein Professorenzimmer geschickt, in dem ein fast leeres Bücherregal stand. Ein paar Stunden später sollten sie den Raum beschreiben. Die meisten sagten: Da stand ein volles Bücherregal. Denn das erwartet man eben: Professor gleich volles Bücherregal. Das Gehirn speichert den Raum nicht exakt so ab, wie er ist, sondern wie er aufgrund vieler zuvor gemachter Erfahrungen sein müsste. Das ist normalerweise wesentlich effizienter.
Äußere Reize müssen in die Sprache unseres Gehirns in elektrische Impulse übersetzt werden. Aus denen bastelt sich jedes Hirn sein Bild, sein Modell von der Welt. Niemals sind elektrische Impulse in der Lage, die Wirklichkeit 1:1 an unser Gehirn durchzureichen. Da passt der Spruch: Schwund gibt‘ s immer. Aber wenn ’s nur das wäre. Den größten Teil der Welt, der Realität bekommen wir gar nicht mit, dem die allermeisten Dinge nehmen wir gar nicht wahr. Radiowellen, W-LAN, die kosmische Strahlung, die dauernd in Schauern durch unseren Körper rast. All das nehmen wir überhaupt nicht wahr. Wir nehmen das wahr, was unsere Vorfahren wahrnehmen mussten. Das ist bei anderen Tieren ganz anders.
Quelle: https://www.mdr.de/wissen/wie-real-ist-die-welt-102.html (21-12-18)